Freitag 29 März 2024

Warum biegt sich der Buchblock?

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  • Moin,
    ich habe ein Problem mit meinem neusten Buch.
    Der Buchblock biegt sich durch. Ich habe keine Ahnung, wo die Spannung her kommt. Hat irgendwer eine Idee?
    Die Laufrichtung des Papiers ist es nicht. Das ist Breitbahn 90g und sollte eigentlich passen.
    Der Einband selber biegt sich scheinbar nicht durch.
    Der Vorsatz sollte eigentlich nicht die Kraft haben um das Papier hochzubiegen, oder? Aber der Vorsatz müßte auch die richtige Laufrichtung haben.




    Viele Grüße
    Jens

  • Hallo Jens!


    Man nennt diesen Effekt „tellern“. Das entgegengesetzte Extrem wird Randwelligkeit genannt. Das ist leider eine normale Reaktion des Papieres auf die klimatischen Bedingungen in denen sich das Buch befindet.
    In Deinem Fall war das Papier im Verhältnis zu der das Buch umgebenden Luft feuchter. Jetzt ist das Papier trockener. Dadurch schrumpfen die äußeren Kanten. Wenn man die Seiten blättern möchte springen sie wie ein Knackfrosch (das war ein Spielzeug als jung war – ist gefühlte 120 Jahre her).


    Über diese Reaktion habe ich dicke Bücher geschrieben und in den letzten 30 Jahren immer wieder mehr oder weniger erfolgreich meinen Kunden erklärt woher das „tellern“ kommt.


    Der Anfang liegt bei der relativen Luftfeuchtigkeit. Man nennt es relativ, weil es zwei Faktoren in einem Messwerte stecken.
    Erklärung 1
    Machen wir in Thailand Urlaub fühlt sich die Luft sehr feucht an. Wir sagen es herrscht eine hohe relative Luftfeuchtigkeit. Das liegt daran, dass sich dort viel Wasser in der Luft befindet und die Temperatur relativ hoch ist. Es ist schön warm.
    Machen wir Urlaub am Nordpol ist es sehr kalt. Die Luft kann gar keine Feuchtigkeit aufnehmen, es ist schlicht zu kalt. An Nordpol ist es völlig egal oder es schneit oder nicht, die Luft wird sich nicht feucht anfühlen. Die Feuchtigkeit würde sofort als Reif ausfallen und sich auf dem Boden ab setzen.
    Mit anderen Worten es gibt zwei Dinge die relative Luftfeuchtigkeit ausmachen. Das eine ist die Menge Wasser in der Luft und das zweite ist die Temperatur der Luft.
    Erklärung 2
    Leider ändert sich das Klima bei uns ständig. Nachts ist es kalt und Tags ist es warm. Du kannst die Reaktion am besten an einem kühlen Glas Bier auf dem Tresen erkennen. Das Bier ist hoffentlich gut gekühlt und die Luft, die das Glas umgibt hat hoffentlich Raumtemperatur. Wie sehen den Temperaturunterschied an den Wasserperlen, die am Glas herunterlauf. Das kalte Bier kühlt die Luft am Glas ab und dann laufen die Tropfen auf den Tresen (Bierdeckel).
    Dein Buch
    Bei Deinem Buch gab es zwei mögliche Reaktionen.
    Entweder war das Papier vor dem Binden feuchter als jetzt.
    Oder das Buch (Papier) wurde in einem kühleren Klima gelagert bzw. gebunden. Jetzt befindet sich das Buch in einem wärmeren Raum und die warme Luft entzieht dem Papier die Feuchtigkeit. Das passiert zuerst am Rand. Dadurch schrumpft der Rand und das Papier „tellert“.
    Das dumme an der Geschichte ist, dass diese Veränderungen meistens nicht wieder ganz zurückgehen. Dafür gibt es dann den schlauen Fachbegriff „verlagert“.


    Idealerweise sollte Papier immer bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von et 50% (und einer Temperatur von etwa 20-22°C hergestellt, gelagert, verarbeite und benutzt (!) werden.


    Das ist alles eine wunderschöne Theorie. Ich steige in diesem Moment in ein Flugzeug. Dort ist die relative Luftfeuchtigkeit bei etwa 20-25%. Alle Bücher sehen nach eine Stunde Flugzeit aus wie Deins. Auch nicht sehr tröstlich.


    Buntpapier

  • Hallo Buntpapier,
    herzlichen Dank für die ausführliche Antwort.
    Schade, dass es nicht wieder vollständig Rückgängig gemacht werden kann.


    Gibt es eine zuverlässige Art, es zumindest teilweise Rückgängig zu machen? Evtl. durch Erhöhung der Luftfeuchtigkeit oder besseres verteilen der Feuchte im Buchblock und dann erneutes Einpressen bis wieder trocken? Oder muss man sich damit abfinden?


    Präventiv könnte man also sagen, dass ich mein Arbeitszimmer auf einem gleichmäßigen Feuchtigkeitsgrad und Temperatur halten sollte, während das Buch hergestellt wird. Danach kann man eh nichts mehr machen, da die Umgebungseinflüsse dann außerhalb des eigenen Einflussbereiches stehen, richtig?



    Viele grüße
    Jens

  • Moin Buntpapier,
    was mich daran stutzig macht, ist die frage, warum es dann nicht z.B. bei Industriell hergestellten Büchern so extrem passiert?
    Ist es evtl. der Goldschnitt, der den Effekt verstärkt? Oder das Anpappen des Buchblockes in den Einband?


    Viele Grüße
    Jens

  • Na ja …..
    Bei der Rückstellung ist das Problem, das Verhalten der Papierfasern und die Veränderung der Fasern in der Trockenpartie der Papiermaschine.
    Beginnen wir mit der Herstellung des Papieres. Papier wird in der Papiermaschine förmlich gebügelt und während der Trocknung gestreckt! Das kann man ganz einfach nachweisen. Nehmen wir man an, wir feuchten etwas Papier (zum Beispiel Fotokopierpapier) total (so richtig pitschnass) und es wird sich in Dehnrichtung von 10,00 cm auf 10,01 cm vergrößern. Nun legen wir das Papier zum Trocknen einfach auf den Teppich, dann wird das Papier auf ein Maß kleiner als 10 cm zurück schrumpfen. Die Papierfasern können sich näher zu ihrer eigentlichen Größe (vor dem Dehnen in der Trockenpartie) zurückbilden. Das Papier wird dann vielleicht nur noch 9,99 cm groß sein. Wie willst Du das Maß nach der Trockenpartie, der Dehnung erreichen. Ich sehe da keine Chance. Du kannst den Versuch gerne mit einem Blatt Fotokopierpapier durchführen. Du wirst Dich erschrecken. Aus 21 wird 21,2 und dann 20,9cm. Das sind erst 2mm größer und dann 1mm kleiner! Schönen Gruß an unsere Berufschullehrer – die zwei Maße vom Papier sind drei!
    Dann kommt das Verhalten der Fasern. Papierfasern reagieren träge auf die klimatischen Änderungen. Ich will damit sagen, dass sie immer verspätet reagieren. Nehmen wir Papier das keine Spannung aus der Papiermaschine besitzt. Verändere ich das Klima in eine Richtung verändert sich das Papier um einen Wert (sagen wir um 100%). Würde ich die klimatischen Bedingungen exakt wieder in den Ursprungwert zurückführen, würde sich das Papier nur etwa 90% zurück bilden. Wie willst Du den richtigen Wert ermitteln um wieder auf 100% zurück zu kommen. Auch da sehe ich keine Chance.
    Das letzte Problem ist, dass das Papier immer vom Rand beginnend hin zur Mitte alle Veränderungen mit macht. Deshalb musst Du davon ausgehen, dass die Veränderungen am Rand auch größer sind als in der Mitte. Es gibt also einen Verlauf. Um das Papier zurück zu bilden müsstest Du ringweise vorgehen und die äußeren Ringe mehr feuchten als die inneren. Damit ist die Chance wohl endgültig dahin.
    Ja die Veränderungen die Du hast habe ich so extrem auch noch nicht gesehen. Wenn man im Flugzeug sitzt, sehen nach einer Stunde alle Taschenbücher aus wie Dein Buch. Aber Deine Voraussetzungen sind eigentlich nicht so krass.
    Wenn man einen Goldschnitt macht, wird eher der Rand wellig. Aber warum haben dann tausende Buchbinder vor Dir nicht diese Probleme. Irgendeiner hätte darüber geschrieben, oder? Mir ist das zu theoretisch. Man müsste das ausprobieren.
    Das „tellern“ gibt es auch in der Industrie. Aber meist wirkt dieser Effekt erst ab 50x70cm stark genug, dass man etwas auf Anhieb sehen kann.
    Das Anpappen des Vorsatzes könnte da schon eher ein Problem sein. Nach dem Anpappen wird das Buch gepresst. Kommt in das Vorsatz kein Schrenz oder eine dünne Pappe zieht die ganze Feuchtigkeit in den Buchblock und dann hast Du genau Deinen Effekt. Als ich Buchbinder lernte (genau - mal wieder vor geschätzten 120 Jahren) gab es kein Buch, das ohne Feuchtigkeitssperre gepresst wurde. Der Nachteil der dünnen Pappe ist, dass sie wenn sie feucht wird, etwas nachgibt und das Vorsatz auf der Deckelseite förmlich prägt. Man kann dann den Höhenunterschied im Bereich des Bezugstoffes sehen. Bei besseren Bücher wird die Decke von innen erst ausgeglichen. IN diesem Fall könntest Du aber vielleicht Glück haben, dass die Welligkeit zumindest fast ganz weggeht. Warten kann man ja.
    Die unterschiedlichen Klimazonen sind bei Dir bestimmt kein Problem. In der Industrie macht man sich bewusst das Leben schwer. In der Druckerei wird gedruckt und rotierenden Zylinder der Druckmaschinen wirken wie Luftbefeuchtet. Danach kommt der Papierstapel zum Trocknen in die Weiterverarbeitung. Und schön die Tür zu machen damit man den Krach nicht so hört! Einfacher und schneller kann man Papier nicht beschädigen.


    Buntpapier

  • Moin Buntpapier,
    danke wieder einmal für die Antwort.
    Dann denke ich mal, dass es das Einpressen nach dem Anpappen war.
    Ich lege zwar eine Acetat Folie (Als Feuchtigkeitssperre und zum verhindern von Abdrücken im Buchblock) dazwischen gelegt, aber wahrscheinlich nicht lange genug gewartet, bis alles trocken war. Dann wird die Restfeuchtigkeit wahrscheinlich in den Buchblock gewandert sein.
    Ich schau mal, ob das beim nächsten Buchbloch besser wird. Dann lasse ich mir mal mehr Zeit.


    Herzlichen Dank !
    Viele Grüße
    Jens

  • Hallo Jens!


    Wir haben die Buchblöcke kurz gepresst, dann kontrolliert und zum Schluss mindestens eine Nacht mit Pappen im Vorsatz und gut beschert (sonnst werden die Deckel krumm) ruhen lassen.


    Dir auch Danke, denn ich habe eine hübsche Idee durch diese Konversation. Ich habe große Pappen für Fischverpackungen. Das sind graue Pappen (70x100cm) die mit einer Aluminiumfolie (silber und gold) beschichtet sind. Diese Pappen werde ich mir für das Anpappen zurücklegen. Die graue Seite kann dann saugen und die Folie wirkt wie eine perfekte Sperre.


    So werde ich das dann machen
    Buntpapier

  • ... und dann hast Du ein Buch, welches wunderbar nach Fisch riecht :D ! Nein ich hoffe die beschichtete Pappe ist ungebraucht. Ich nehme Schrenzkarton und umlege den mit Wachspapier damit nichts festklebt - sollte mal etwas zuviel Leim beim Anpappen ausquetschen.

  • Das thema Wachspapier ist bei mir noch ein rotes Tuch. Bisher stellten sich die gekauften angeblichen Wachspapiere als normales Butterbrotpapier raus, an dem natürlich alles haftete... Ich muss mir noch mal einen Vertrauenswürdigen Händler suchen ;-)

  • @ Papierfrau
    Meine liebe Papierfrau. Der Scherz war nicht schlecht. Ich stelle mir eine Fischverpackung von über 70cm x 100cm Größe im Supermarkt vor. Die arme Kassiererin, wie soll die denn den kompletten Lachs über das Förderband wuchten. Ich glaube da bekommen wir schon im Supermarkt Ärger mit der Gewerkschaft.


    @ Jens
    Der Versuch mit dem Metzgereibedarf ist sicherlich nicht schlecht. Im Internet ist Wachspapier recht teuer.
    Backpapier ist mit Silikon beschichtet. Ich würde zuerst probieren wie reibfest die Beschichtung ist.
    Vielleicht kann man ja auch dünne Pappen mit alten Lackresten streichen.


    Egal was Du auch machst. Lieber Fisch im Buch als Silikon am Kuchen. :D:thumbsup::D:thumbsup:


    Buntpapier

  • Ach ja, Diese Vertiefungen auf der ersten Seite gefallen mir auch überhaupt nicht.


    Wer kann mir dazu etwas sagen? :?:

  • Also erstmal Grundsätzliches: wenn du Papier mit Leim anschmierst wird es feucht und dehnt sich entsprechend der Laufrichtung (= Richtung in der die Fasern liegen) weil die Fasern anschwellen. Wenn du es feucht aufklebst und es trocknet wieder bildet sich ein Zug, weil die aufgequollenen Fasern sich wieder zusammenziehen. Dieser Zug bewirkt das Wölben der Deckel wenn nicht entsprechendes auf der anderen Deckelseite entgegen wirkt.


    Diese *Vertiefungen* sind die Einschläge des Überzugs die durch das vermutlich viel zu schwache Papier drücken. Schwaches Papier deswegen, denn, so wie ich das erkennen kann ist das Kunstdruckpapier und das besteht zum Großteil aus Füllmasse und nur wenig Papierfasern. Da das Einbandmaterial eine gewisse Dicke und einen gewissen Zug hat drücken sich die Einschläge entsprechend durch und es wölbt sich der Deckel, weil innen nicht der gleiche Zug dagegenhalten kann.
    Du bräuchtest für den Buchblock ein Vorsatzpapier. Das hat mehr Volumen um diese Vertiefungen etwas auszugleichen und es hat auch mehr Zug um die Wölbung zu mindern/verhindern..
    Alternativ kannst Du auch die Deckel innerhalb der Einschläge ausgleichen in dem Du etwas reinklebst mit der gleichen Dicke. Man nennt das "gegenkaschieren". Weja, hoffentlich kann man das einigermaßen verstehen was ich da zusammentippe!
    Ist das Einbandmaterial Rohleinen?

  • Moin,
    eine Möglichkeit hätte ich noch, dem Zug der Deckeloberseite entgegen zu wirken.
    Ich hantiere mit verscheidenen Mischungsverhältnissen von Leim und Kleister. Da Kleister sich beim austrocknen mehr zusammenzieht, kann ein größerer Anteil an Kleister dem entgegenwirken.


    So zumindest meine Erfahrung.


    vg
    jens

  • Hallo Papierfrau,


    vielen Dank für deine schnelle und ausführliche Antwort. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus das dass "Du" in Ordnung ist.


    Deine Antwort hat mir schon sehr gut geholfen. Für das Verständniss, denn ich habe den tollen Buchbinder Beruf nicht gelernt, sondern erarbeite mir das alles selbstständig.


    Okay, dass mit dem Vorsatzpapier habe ich glaube ich verstanden. Mein Problem ist nur, dass ich nicht glaube das ich es wirklich Millimetergenau zuschneiden kann. Ich arbeite mit einer Handhebelmaschine von Dahle. Also ein üblicher Papierschneider. Auch bei Pappen ist nicht immer alles 100% im Lot (Rechter Winkel) Bei Zuschnitten passiert es schon mal das die sich um einen Millimeter unterscheiden.
    Das würde dann bei einem Buch blöd aussehen.


    Das mit dem Auskaschieren habe ich beim zweiten Versuch schon erkannt und gemacht.


    Ich hatte auch keine Feuchtesperre zwischen Block und Deckel. Vielleicht bringt dass ja auch schon was...


    Ist es besser den Buchdeckel erst komplett austrocknen zu lassen? Oder soll ich den direkt "Anpappen" ( Ha,ha ich benutze Fachwörter) :D

  • Hallo Jens,


    Danke auch für deine Antwort.


    Zum Kleber: Ich benutzte Planatol Elasta N aus dem Boesner. Das wurde mir mal empfohlen für Schachteln und Boxen.
    Leim selber mischen traue ich mir nicht zu...


    Gibt es denn irgendeinen Kleber der nicht so zieht? Also einen der nicht auf Wasserbasis ist?


    Danke

  • Hallo Paperboy,
    Wenn Du das Vorsatzpapier nicht genau auf die Größe des Buchblocks schneiden kannst, dann erstmal größer schneiden und den überstehenden Rand mit feinem Schmirgelpapier abschmirgeln.
    Rohhalbleinen ist natürlich schon ein etwas stärkeres Gewebe, das sich dann gerne unter dünnem Papier abzeichnet... dafür ist es aber schier unverwüstlich ;-).


    Also ich lasse in der Regel Buchdeckel vor dem Anpappen nicht komplett austrocknen. Die wölben sich dann nämlich und Du hast am nächsten Tag Schwierigkeit mit dem Einhängen ( = Buchblock in Decke kleben). Wenn Du allerdings im noch feuchten Zustand innen die Deckel gegenkaschierst - und sei es nur ein Blatt Packpapier ( in der richtigen Laufrichtung, versteht sich), dann kannst es getrost über Nacht beschwert (!) austrocknen lassen.
    Feuchtsperre ist empfehlenswert und mehr Pressdruck. Der Leim würde passen meines Erachtens nach.

  • Hallo Papierboy


    Grundsätzlich kann man sagen, dass das bestrichene Material (Vorsatz) mehr dehnt je mehr Wasseranteil im Klebstoff ist. Danach ist der Zug auch höher, wenn mehr Wasser wieder abtrocknen kann.
    In meiner Lehre hatten wir nur zwei Klebstoffe für „normale“ Arbeiten. Kleister und einen mit „Planatol“ vergleichbaren Klebstoff.
    Der Grund liegt im unterschiedlichen Verhalten der Klebstoffe. Das sind in erster Linie die Haltbarkeit (in diesem Fall Belastbarkeit Zug) und die sogenannte offene Zeit. Die offene Zeit bezeichnet wie lange man mit dem Klebstoff arbeiten, bevor abbindet. Kleister hat eine lange offene Zeit. Deshalb wird Kleister für Kästen bevorzugt. Kleister hat dafür nicht die Haltbarkeit wie moderne Klebstoffe wie „Planatol“.
    So habe ich mir angewöhnt immer beide Klebstoffe parat zu haben. Das eine ist der Kleister „Metylan“ normal oder spezial. Das andere ist der Klebstoff „Planatol Superior“ oder vergleichbar. Bei allen Arbeiten mische ich (Jens auch schrieb) dann die beiden Klebstoffe wie ich sie brauche. Im Extremfall verarbeite ich die Klebstoffe auch getrennt.
    Ich habe ein täglich benutztes Wörterbuch neu klebegebunden und mit Halbrohleinen hinterklebt. Dazu habe ich natürlich 100% Klebstoff benutzt. Dann habe ich das Innenteil (Buchblock) in die reparierte Decke eingehängt. Den hinteren Zentimeter, also das Halbrohleinen habe ich mit 100% Klebstoff eingestrichen und den Rest des Vorsatzes mit reinem Kleister. Da es sich um eine reparierte Decke handelte, hatte sie keinen Zug nach außen. Also schnell die Deckel zu! Wie Papierfrau schon schrieb die Zeit ist genauso wichtig wie die Materialwahl.
    Nimmt man ein Vorsatzpapier in der Größe DIN A4 streicht es kräftig mit reinem Kleister ein und lässt es wirklich lange weichen, wird aus der Vorsatzbreite von 21 cm schnell 21,1 bis 21,2 cm. Das sieht man dann später am trockenen Buch auch. Das äußere Vorsatzteil ist dann wesentlich länger als der Buchblock. Und der Zug kann auch sehr groß werden.
    Ich gucke mir vor dem Einhängen an wieviel Zug ich vom Vorsatz brauche. Papierfrau schrieb, dass sie die Deckel nie ganz austrocknen lässt. Also braucht sie weniger Zug vom Vorsatz. Ich habe gelernt die Decken eine Nach beschwert liegen zu lassen. Dann kann ich am nächsten Tag sehen wie krumm die Decke geworden ist und muss für Zug durch das Vorsatz sorgen. Am Ende sollte das Ergebnis gleich sein.
    Schwierig wird es wenn man Bezugsmaterial wie „Elefantenhaut“ verarbeitet. Beim Erstellen der Decke muss man schnell arbeiten, braucht einen starken Klebstoff ohne viel Wasseranteil. Denn dieses Material entwickelt einen starken Zug nach außen. Hängt man später den Buchblock ein, kann man das Vorsatzsatz nach vorn um einen Millimeter kürzen, kräftig anstreichen und dehnen lassen bis es so lang ist wie der Buchblock. Und dann den Deckel zu.


    An dem zweiten Foto kann man (wie Papierfrau schon bemerkte) sehen, dass Du keine Presse hast. Das ist nicht schlimm aber man muss trotzdem einen guten Kontakt zwischen der Decke und dem Vorsatz herstellen. Wenn in meiner Lehre ein Buch zu groß für die Presse war, haben wir wie folgt beschrieben gearbeitet.
    Man legt den Buchblock in die Decke und auf den Tisch. Danach legt man einen Stapel Bretter oder Kartons neben das Buch. Der Stapel muss so hoch, dass der geöffnete Deckel waagerecht und auf der ganzen Fläche auf dem Stapel liegt. Das heißt jetzt liegt das Buch mit aufgeschlagenem Deckel auf dem Tisch.Zuerst wird das Vorsatz hinten mit starkem Klebstoff angestrichen. Das restliche Vorsatz wird wie üblich angestrichen. Dann den Deckel schließen. Nach dem Schließen den Deckel ordentlich und besonders hinten andrücken. Der starke Klebstoff muss jetzt gut und schnell wirken. Das bis jetzt Gemachte muss nicht hektisch geschehen. Man hat viel Zeit. Als nächstes wird der Deckel wieder geöffnet und liegt dann glatt auf dem Stapel auf. Im Normalfall klebt der starke Klebstoff schon jetzt das Vorsatz hinten ordentlich an den Deckel an. Während der langsam Klebstoff am restlichen Vorsatz noch offen ist. Nun kann das Vorsatz von innen angerieben werden. Dazu legt man ein Blatt Papier auf das Vorsatz und reibt das so geschützte Vorsatz an den Deckel an. Zum Schluß kommt die Pappe als Sperrschicht ins Vorsatz und der Deckel wird wieder geschlossen. Noch einmal den Deckel hinten kräftig andrücken, dann den zweiten Deckel fertig machen und das Buch wie üblich beschwert trocknen lassen.
    Diesen Weg wähle ich auch wenn ich garantiert keinen Zug durch das Vorsatz gebrauchen kann. Dann bestreiche ich aber den Deckel von innen und nur den Rand des Vorsatzes mit Klebstoff. Und dann schnell den Deckel zu und wirklich gut pressen oder anreiben. Denn sonst wird das Vorsatz wellig und es kann zu Falten kommen.


    Das alles sollte man natürlich an einem einfachen Buch ausprobieren. Denn es gibt Grenzen für diesen Weg. Ist zum Beispiel der Abstand zwischen dem Deckel und dem Schrenz (Einlagen hinten in der Decke für den Buchrücken) zu klein gibt es Spannungen und das Vorsatz kann im Bereich des Gelenkes überdehnt werden.


    Buntpapier