Freitag 29 März 2024

Lagen vorkleben bei Handheftung

Hey! Der Forenbetrieb ist eingestellt worden. Das Forum fungiert ab sofort nur noch als Archiv. Schließe dich doch schnell unsere Facebook-Gruppe an, damit du weiter diskutieren und mit den Mitgliedern in Kontakt bleiben kannst!
  • Guten Tag in die Runde


    ein befreundeter Hobbybuchbinder hat mir berichtet, dass zwischen den Lagen seiner Bücher nach einigen Jahren beim Aufklappen das Begazematerial vom Rücken sichtbar sind. Die Lagen brechen also auf, wohl aufgrund der mechanischen Beanspruchung. Versteht ihr, was ich meine?


    Ich habe ihm dann folgendes geraten, bin mir aber durchaus bewusst, dass meine Erfahrung diesbezüglich eigentlich sehr klein ist und darum möchte ich das hier verifizieren lassen:

    Er benutzte sehr dickes Inhaltspapier (>130g/m2)


    - 1. + 2. Lage und letzte + vorletzte Lage nach dem heften, vor dem Ableimen (?) dünn vorkleben, da diese Lagen den "grössten" Weg beim Aufklappen zu bewältigen hat

    - Vor dem Heften, die Lagen lange und gut pressen.

    - Leim wirklich gut einreiben mit Falzbein bei der Beleimung (wurde uns in "Industrie"-Handbuchbindereien zwar nicht so beigebracht, wird aber immer wieder in alten Fachbüchern erwähnt.

    - Vorsatzart überdenken (kaschiertes Vorsatz mit Vorsatzlage, eingeheftetes, umhängtes Vorsatz?) um die Zugwirkung eines einfach geklebten Vorsatzes zu verringern

    - Kann evtl. eine falsche Scharnierbreite bei der Decke (angepasst auf Material) eine zu grosse mechanische Sperrwirkung erzeugen?

    - Nach ableimen (?) Buchblock niederhalten


    Könnt ihr das so bestätigen? Was würdet ihr ihm Raten?


    Und weils in diesem Gespräch auch noch aufgetreten ist: Wie breit berechnet ihr die Rückeneinlagen bei Büchern mit geradem Rücken? Blockhöhe/Rückenbreite Buchblock + 1x Kartonstärke?


    Besten Dank und gute Zeit

    fido

  • Hallo fido,

    im Großen und Ganzen kann man deine Tipps meiner Meinung nach bestätigen:

    -Das schmale Verkleben der 1. mit der 2. und der vorletzten mit der letzten Lage nennt man " Kleister geben" und gehört zum Heften mit der Hand genauso dazu wie der Faden... also nicht vergessen ;)

    -Pressen der Lagen vor dem Heften ist richtig. Ich mach das meist über Nacht.

    -Leim beim Ableimen gut einreiben ist wichtig. Ich reib den Leim mit dem Daumen ein... es sei denn es ist Heißleim (Knochenleim, bei antiken Büchern), dann mach ich das mit der erhitzen flachen Spitze eines Hammers.

    Nach dem Ableimen den Buchblock mit einem Abstand (3-5mm, je nach Steigung) am Rücken zwischen Bretter setzen und antrocknen lassen. Dann, wenn erwünscht runden, nochmal leimen und wie oben zwischen Bretter setzen und unter Druck über Nacht trocknen lassen.

    -Die Vorsatzart spielt bei dem Problem, welches dein Freund hat eher keine Rolle, glaube ich. Da ist wohl eher das steife/dicke Inhaltspapier schuld.


    Er schreibt, dass er da das "Begazematerial" sieht und das wundert mich. Entweder hat er ein klebegebundenes Buch oder ein maschinengeheftetes, denn bei der Handheftung benützt man, so habe ich es jedenfalls gelernt, keine Gaze sondern Pack- oder Vorsatzpapier zum Hinterkleben.

    Es kann aber auch noch andere Gründe für das Aufplatzen im Rücken geben: der Leim zum Ableimen war zu schwach oder schlichtweg ungeeignet für die Art von Papier, das Papier hatte die falsche Laufrichtung und/oder war, wie gesagt, zu steif.


    Die Rückeneinlage bei Büchern mit geradem Rücken berechne ich nicht und ich mess die auch nicht mit dem Millimeterband.

    Ich stell den Schmalschneider der Pappschere hoch und press die vordere (!) Kante des Buchblocks mit den zwei Deckeln leicht ein und fertig. Wenn der Buchblock etwas Steigung hat gebe ich 1/2 - 1mm dazu.

    Ich habe das zwar nicht so gelernt, aber mein allererster Meisterchef hat das immer so gemacht.

    Die Höhe richtet sich dann nach der der Buchdeckeln.


    So, ich hoffe ich konnte Dir etwas weiter helfen und würde mich freuen, wenn auch andere über ihre Erfahrungen diesbezüglich berichten würden.

    Gruß Papierfrau

  • Er schreibt, dass er da das "Begazematerial" sieht und das wundert mich. Entweder hat er ein klebegebundenes Buch oder ein maschinengeheftetes, denn bei der Handheftung benützt man, so habe ich es jedenfalls gelernt, keine Gaze sondern Pack- oder Vorsatzpapier zum Hinterkleben.

    Vielen Dank für Deine Ausführungen! Zum oben zitierten Absatz:

    Spannend! Aber uns wurde da nichts dergleichen beigebracht. Im Betrieb wurde oft trotzdem Gaze / Industriegaze oder Gaze und Packpapier zum Hinterkleben handgebundener Bücher genommen. In den Schulkursen wurde die Gaze zwischen den Bünden hinterklebt (quasi als Ausgleich, ohne Überlappung auf das Vorsatz)) und danach noch zusätzlich mit Packpapier.


    Wenn ich fragen darf: Ist denn die Handheftung genug "stabil", um auf ein zusätzliches Verstärken mit Gaze zu verzichten? Oder ist das eher eine Gewohnheit um Zeit zu sparen?

  • Hallo Fido!
    Ich kenne Gaze auch nur bei Maschinenheftung oder industriell gefertigten Büchern. Von Hand geheftete Bücher kenne ich nur mit Köperband (ganz normal) oder Kordel (für Bünde).

    Bei schweren Büchern mit Sprungrücken habe ich gelernt den gehefteten Buchblock mit Halbleinen bis 2 oder 3 cm auf das Vorsatz (spezielle Varianten) zu kleben. Aber das ist ja etwas ganz anderes.

    Buntpapier

  • Hallo Fido,

    vielleicht wird das Hinterkleben von handgehefteten Büchern regional/ traditionell, also je nach Ausbildung oder Erfahrung des Lehrers anders gelehrt. Es gibt ja viele Dinge in der Buchbinderei - und nicht nur dort- die in keinem Lehrbuch stehen sondern vom Meister auf den Lehrling direkt "übertragen" werden. Ich kenne das halt nur so wie oben beschrieben. Schädlich ist eine Hinterklebung mit Gaze bestimmt nicht.

    Dazu würde ich jetzt gerne einen Handwerksmeister befragen.....


    Gruß Papierfrau