Freitag 29 März 2024

Versuch eines "Springrückens

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  • Hallo zusammen,


    eins vorneweg: Ich bin ein reiner Amateur, habe keinen beruflichen Hintergrund im Buchbinder oder Druckerhandwerk. Auch mit Werkzeug sieht es zu weiten Teilen ein bisschen mau aus. Mein Falzbein habe ich mir z.B. aus einem Haselnussstecken geschnitzt. Aber ehrlich gesagt, glaube ich, dass ich den jetzt auch nicht mehr mit einem gekauften tauschen möchte :). Ich hoffe auf gnädige Rezension meines Projektes.


    Vor ein paar Wochen bin ich das erste Mal mit dem Buchbinden in Berührung gekommen. Ursprünglich wollte ich mir nur meine Notizbücher im Format A6, die ich ziemlich fleißig sowohl beruflich wie privat vollkritzele, selbst basteln. Auf YouTube bin ich dann mit einem Buchbinder-Kanal zusammengestoßen, der unter anderen die Herstellung von Sprungrücken-Büchern demonstriert. Das fand ich großartig, das musste ich auch probieren.


    Für meine beiden Jungs (vier und sechs Jahre) habe ich ein Paar Prototypen angefertigt. Falls man anfertigen dazu sagen darf. Gebastelt, ja eben vor mich hingepfuscht. Egal, meinen Kindern haben die Bücher gefallen und eine rudimentäre Art von Sprungrücken-Funktion haben sie auch. Unten die Bilder. Sämtliche Entscheidungen über Farben der Papiere, Deckblätter haben die Jungs gehabt. Rücken und Ecken sind "selbstgemachtes Buchbinderleinen", also mit Stärkepaste kaschiertes Papier. Das macht zwar Spaß, aber nachdem ich "das Echte" Material in der Hand gehabt habe, werde ich mir das wohl in Zukunft sparen.



    Dann folgte der zweite Versuch. Diesmal ein Geburtstagsgeschenk für meinen Vater, der hat jetzt an Ostern Geburtstag. Da musste es schon wenigstens ein bisschen nach etwas aussehen.


    Hier ein Bild mit befestigter Feder und Buchdeckeln.


    Hier im Forum gab es mal einen Link zu Bucheinbänden mit Fischleder, das gab den Ausschlag für das grundsätzliche Design des Buches, etwas mit Fischen, Wasser ... also Blau, als Kontrastfarbe durfte ein wenig Orange mitmischen. Das Umschlagpapier ist ein selbstgemachtes Kleisterpapier und die Endpapiere, da haben wir mal mit Marmorieren ein paar Versuche gemacht (mit Tapetenkleister als Schleimgrund und Alkohol als Netzmittel).


    Hier noch ein paar Bilder des fertigen Buches mit Schachtel.








    Das Fischleder ist wirklich sehr spannend. Ich habe zwei Häute bekommen und die hier verwendete war sehr schön dünn und geschmeidig. Die ließ sich richtig gut verarbeiten. Die andere dagegen war bestimmt einen Millimeter dick oder noch mehr, wirkt dafür aber auch richtig stabil. Dafür fällt mir bestimmt auch noch etwas ein.


    Wenn noch eine Frage gestattet ist: Habt ihr Tipps zur Herstellung der "Feder"? Ich habe einen 3 mm dicken Karton genommen und ihn vollständig eingeweicht und dann um einen Besenstiel gebunden. Dabei ist das Material an Ober- und Unterseite ordentlich delaminiert (hauptsächlich beim anschließenden "Einbiegen"). In die delaminierten Bereiche habe ich dann so gut es geht Kleber eingearbeitet und anschließend für ein bisschen mehr Spannung innen ein Stück Karfpapier geklebt.


    Achso, ja eine hätte ich doch noch: Ich habe mir Planatol Elasta N besorgt. Ist das eine vernünftige Kleberwahl?


    Danke schonmal, beste Grüße aus Nürnberg

    Christian

  • Herzlich willkommen. Hier sind einige Hobby-Buchbinder unterwegs. Ich gehör auch dazu.

  • Dann noch einmal Hallo Christian!

    Die ersten Bücher sehen aus wie Bücher, funktionieren bestimmt wie Bücher und sind dann auch Bücher.

    Ein professioneller Handwerker übt als Lehrling viele Jahre bis er überhaupt Handwerker ist. Dann arbeitet er wieder viele Jahre bis er dann vielleicht Meister wird. Jetzt schauen wir uns mal den Hobby-Handwerker an. Er macht einmal in seinem Leben ein bestimmtes Projekt und möchte, dass es schön wird. Bei mir ist es im Moment die Holzverarbeitung. Und das Projekt ist so ganz nebenbei ein Wendeltreppe. Alles dauert ewig und ich lerne und lerne. Aber eine zweite Wendeltreppe wird es nie geben. So ist das Hobby. Ich habe viel Achtung vor einer guten Arbeit. Und gut ist wirklich relativ. Besser ein guter Wille als eine gute (oder besser schlechte) Ausrede.

    Die gezeigten Bücher sind doch toll. Selbst das Vorsatz ist genau die Variante für Sprungrückenbücher. Ich kann da nur sagen - weiter.


    Dann zu den Fragen. Eine dicke Pappe feuchten, formen und trocknen ist ein Weg. Aber diese Feder wird nicht viel Spannung haben. Besser ist es ein ganz dünne Graupappe (vielleicht um 600g/m² wir nennen das Schrenz) mit Leim bestreichen und dann um den Besenstiel wickeln. Richtige Laufrichtung ist klar oder? Also einen langen Streifen dünne Pappe in einem Stück immer wieder rumwickeln. Beim ersten Versuch wir das Fixieren des Ende etwas wackelig. Das macht aber gar nichts. Denn wenn die Rolle aus 5 bis 10 Schichten trocken ist hat man ein perfektes Rohr. Sprungrückenbücher haben grundsätzlich dickere Buchdeckel als normale Bücher. Also nicht zu zögerlich sein. Das Rohr sollte mindestens 3-4mm Wandung haben. Das Rohr wird dann aufgesägt. Also nicht nur einmal sägen. Ich habe einen Streifen herausgesägt. Dann die Feder mit Schmirgelpapier in Form bringen. Diese Feder hat richtig gute Spannung aber zum guten Schluß kommen damit die Probleme.

    Die Dicke des Besenstiels muss zur Dicke des Buchblocks passen. Also für ein dickes Buch muss der Besenstiel erst etwas dicker gemacht werden. Dummerweise habe ich die Verhältnisse vergessen. Das letzte Sprungrückenbuch habe ich vor 38 Jahren gemacht. Das ist aber erst das dritte Problem.

    Das erste Problem beginnt beim Heften der einzelnen Lagen zum Buchblock. Man muss wirklich sehr stramm heften. Nein, das reicht nicht! Strammer! Ehrlich! Wenn man später die Feder über den Buchrück würgt, muss der Buchblock so steif sein, dass er der Macht der Feder standhält. Ist der Buchblock zu locker werden die Lagen unkontrollierbar und verschieben sich. Ich habe die Buchblöcke für Sprungrückenbücher immer mit Halbrohleinen hinterklebt. Das sieht später ordentlich aus, aber wichtiger ist die gute Form des Buchblocks.

    Das nächste Problem ist die Positionierung der Zange auf dem Buchblock. Die Zange habe ich auch mit Halbrohleinen ausgeklebt. Das hatte drei Gründe.

    Erstens hilft das Leinen der Feder. Das Leinen hält die Pappe in Form und das für viele viele Jahre.

    Zweitens konnte ich die Zange am Leinen greifen und mit aller Gewalt die ich hatte öffnen und dann mühsam über den Buchblock ziehen.

    Drittens war das Leinen ja wichtig um die Zange am Buchblock fixieren zu können. Das Kapitalband kommt vor der Zange und vor dem Hinterkleben des Buchblocks und der Bezug kommt später.

    Und dann noch einmal kurz zum dritten Problem. Ich glaube meine Zangenöffnungen waren immer etwa 5mm kleiner als die Buchblöcke vorne (nicht am Rücken!) dick waren. Wenn ich wieder ein Sprungrückenbuch machen würde, würde zumindest damit beginnen. Ja, ich sollte wieder eins machen.

    Noch ein Wort zu den Lagen. Das Verschieben der Lagen kann auch mit falscher Bedienung des Buches zusammenhängen. Ein Sprungrückenbuch wird IMMER ganz vorn nur mit dem Deckel geöffnet und dann wird entweder seitenweise oder höchstens lagenweise geblättert. Will man das Buch wieder schließen MUSS man lagenweise zurück oder lagenweise ganz durchblättern und dann den Deckel schließen. Wird das nicht beachtet, verschieben sich die Lagen und der Buchblock wird unansehlich.


    Die Frage nach dem Leim ist einfach. Ich benutze für alles Planatol BB. Mein Chef hat auch öfters Planatol Superior benutzt. Und wenn man Kunstoffe oder beschichtet Bezugstoffe verarbeitet die wie Kunststoffe verklebt werden müssen, dann gibt es dafür noch einen speziellen Leim. Ist hier irgendwo im Forum benannt worden. Das Zeug ist ekelig weil man es nicht wieder von den Finger bekommt. Aber es bleibt auch fast ewig klebrig.

    Und dann ist da noch der Kleister als sehr wichtig zu benennen. Kleister wird zum Beispiel bei Kästen und Ledereinschlägen benutzt. Man kann aber auch Leim mit Kleister mischen. Dann wird die offene Zeit (die Zeit bis zum Abbinden) des Leims länger. Man hat also mehr Zeit für Korrekkturen. Das sollte für den Hobbybuchbinder reichen. Es gibt aber noch vieles mehr.

  • Darryn Schneider, der Herr hinter DAS Bookbinding auf YouTube und auch bei https://dasbookbinding.com/ ist super. Der Sprungrücken der vorgeführt wird, ist die englische Art, etwas anders als die Deutsche. Ich habe eine Anleitung zur Englischen auf meiner Webseite bei https://www.philobiblon.com/springback-eng/index.html.

    Zitat

    Auf YouTube bin ich dann mit einem Buchbinder-Kanal zusammengestoßen, der unter anderen die Herstellung von Sprungrücken-Büchern demonstriert. Das fand ich großartig, das musste ich auch probieren.

    Der Einband sieht wirklich gut aus, und der mit den Fischen bin ich. Alles dazu habe ich bei https://www.philobiblon.com/bindorama20/index.html und auf meinem Blog bei https://pressbengel.blogspot.com/search/label/fish%20leather. Pergament machen oder gerben ist eigentlich recht einfach und sieht super aus. Haut aber vor dem Kochen abziehen...

    Zitat

    Hier im Forum gab es mal einen Link zu Bucheinbänden mit Fischleder, das gab den Ausschlag für das grundsätzliche Design des Buches, etwas mit Fischen, Wasser ... also Blau, als Kontrastfarbe durfte ein wenig Orange mitmischen. Das Umschlagpapier ist ein selbstgemachtes Kleisterpapier und die Endpapiere, da haben wir mal mit Marmorieren ein paar Versuche gemacht (mit Tapetenkleister als Schleimgrund und Alkohol als Netzmittel).

    Was die Feder angeht, benutze ich bei der englischen Art einen Schrenz der mit Packpapier gewickelt wird. Siehe link zu Anleitung oben.


    Mir ist der deutsche Sprungrücken lieber wobei die Feder aus mehreren Schichten Aktendeckel die Feder auf dem Buchblock aufgebaut wird.


    Weiter so.


    p.


    Ps. Werde in den nächsten Wochen mal wieder einen Deutschen binden und fotografieren. Mein Artikel auf Englisch wird ins Spanische übersetzt. Die Bilder, die ich bei https://www.philobiblon.com/springback habe sind nicht mehr auf dem Stand der Zeit... 🙄

  • Die sehen alle super aus!

    Sprungrücken hab ich noch nicht probiert. Mal sehen. Deine Bilder machen Lust auf mehr :)

  • Hallo Christian,


    auch von mir ein herzliches Willkommen!

    Deine Bücher sehen richtig gut aus. Sprungrücken ist auch so eine Sache, die ich endlich mal machen sollte. :)

    Und dass Du Dein eigenes Kleisterpapier machen tust: :thumbsup:

    Zum Leimen: Wie schon Klaus ausgeführt hat, Planatol BB ist vollkommen ausreichend. Und wenn es mal einen Leim braucht, der länger offen bleibt, dann ist eine Mischung aus Planatol BB und Stärke-Kleister eine gute Wahl. Oder man mischt immer dort, wo möglich und das schon teure Planatol BB hält etwas länger.

    Dazu braucht es auch nicht die teure Weizenstärke aus dem Fachhandel, die aus dem Supermarkt geht genauso gut. Nur nicht wie Pudding kochen, das macht die Klebekraft kaputt. Am Besten vor dem Abfüllen noch ein paar Tropfen antibakterielles Öl (z.B. reines Zedernöl) unterrühren und dann im Schraubglas kühl stellen. Hält dann auch länger als nur paar Tage.

    Darryn hat da auch eine gute Anleitung: https://www.youtube.com/watch?v=8y1x8_eGtsA


    Bleib dran.


    Beste Grüße

    Karsten

    Einmal editiert, zuletzt von offizin17 ()

  • Moin Christian,


    eine optisch ansprechende Arbeit, die du uns hier vorstellst. Wirklich Prima.

    Da hast du dich als Anfänger natürlich gleich an ein Objekt gewagt, das schwierig zu erstellen ist. Dafür ist das Ergebnis großartig.

    Ich persönlich habe nie einen Sprungrückenband erstellt. Musste ich auch nicht. Ich bin halt in der Industrie groß geworden. Die handwerklichen Tätigkeiten sind mir zwar in großen Teilen geläufig, aber waren halt meist keine Pflichtarbeiten (also auch nicht in der Gesellen- oder Meisterprüfung).


    Wenn mich ein Anfänger fragen würde, womit er starten soll, um ein Gefühl für die Materialien und die Tätigkeiten zu bekommen, würde ich allerdings nie die Sprungrückenband nennen. Da gibt es sicherlich einfachere Arbeiten. Eine Schweizer Broschur, einen "einfache" Fächerklebebindung mit Ganzgewebe- oder Papierdecke und, und, und ...


    Also "Hut ab" und weiter so!

  • Hallo zusammen,


    herzlichen Dank für den freundlichen Empfang und die wertvollen Ratschläge.


    Die Feder über einen Besenstiel zu wickeln, das probiere ich mal aus. Ich hatte angefangen meinen Karton mit mehreren Lagen Kraftpapier zu "unterkleben", aber das hat es so dermaßen zusammengezogen, das konnte ich gar nicht mehr aufbiegen. Ich gehe mal in Opas Keller auf die Suche, da liegen bestimmt ein paar alte Rohre/Stäbe verschiedener Durchmesser herum. Ok, und ordentlich fest vernähen, das bekomme ich auch hin. Das nächste Exemplar ist ja schon von der Schwiegermutter geordert, die fand das Fischleder so toll ...


    Ich fand das Fischleder auch toll, und die Idee jetzt mit dem Gerben von Forellen anzufangen hat auch etwas faszinierendes ... aber ich fürchte, das mir in dieser Beziehung zuhause wahrscheinlich eher wenig Liebe entgegenschlagen wird. Mal sehen was daraus wird, ich behalte das mal im Hinterkopf. Die Anleitung zum Sprungrücken auf Philobilion kannte ich nicht, auf jeden Fall auch als Projekt für die Zukunft aufgeschrieben.


    Aktuell ist ein Aquarellbuch für meine Frau in Arbeit, das wird mich bestimmt noch die nächsten zwei Wochen beschäftigen. Danach steht auf dem Plan ein paar Test-Federn zu basteln.


    Vielen Grüße

    Christian

  • Sprungrücken wäre für mich auch eher Neuland.. obwohl ich schon seit Jahren die ungeheften Lagen hier habe, aber "immer ist irgendwas" anderes los.

    Ich finde deine Bücher echt gelungen. Sie sehen aus wie vom Profi.

    Viel Spaß weiterhin beim Kreieren!


    Lieben Gruß

    Christine

  • Doktor Flyer

    Hat das Label Projektvorstellung hinzugefügt