Freitag 19 April 2024

Automatischer Rüttelautomat (Basa-Series)

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  • In der letzten Druckerei, in der ich gearbeitet habe, hatten wir einen automatischen Rüttelautomat kombiniert mit einer Polar-Schneidemaschine AT-137.

    Der Rüttelautomat übernimmt die oft körperlich belastende Arbeit des händischen Rüttelns des Papiers vor dem eigentlichen Schneidevorgang.

    Ich als Abteilungsleiter habe die Anlage immer mit gemischten Gefühlen gesehen. Einerseits hat man eine deutliche Entlastung des Bedieners. Allerdings war ich immer der Meinung, dass es händisch einfach schneller geht.

    Jeder der in der Druckindustrie unterwegs ist, weiß, dass der Faktor Zeit (leider) immer eine große Rolle spielt.


    Hier ein Link, der das Können der Anlage anschaulich demonstriert: Automatischer Rüttelautomat - BASA Series - Baumann Wohlenberg (directindustry.de)


    Hat einer von euch Erfahrungen mit dieser oder ähnlichen Anlagen machen können?

  • Ich wünsch mir einen Rüttler in der Druckerei, wo ich jetzt bin....und wenns nur ein ganz kleiner, ohne Luftausstreicher ist....

    In Buchholz hatten wir 2 solcher Automaten, gerade bei 70x100 ist das die reinste Freude damit zu arbeiten...Stapelheber, Rütteltisch mit Ausstreicher, dicke Schneidemaschine mit wunderschönem Farbdisplay und natürlich Automat, dann noch ein Abstapler....Das hat richtig Spaß gemacht! Man konnte quasi alleine an der Maschine stehen und brauchte nicht noch eine (ausgelernte) Hilfskraft, die den Quark für einen vorrüttelt.


    Jetzt hab ich nur noch eine Canon Digidruckmaschine, gedruckte Formate spielen sich so im SRA3/13"x19" ab....aber trotzdem fänd ichs schöner, wenn man ein wenig mehr aufrütteln könnte.

    Doktor Flyer , wo du den Zeitfaktor beim händischen einrütteln erwähnst....Man kann die Rüttel- und Ausstreichzeiten der Maschine ja in der Regel einstellen; ich hatte immer das Gefühl, dass es mit maschineller Unterstützung leichter und schneller von der Hand geht.

  • Man kann die Rüttel- und Ausstreichzeiten der Maschine ja in der Regel einstellen; ich hatte immer das Gefühl, dass es mit maschineller Unterstützung leichter und schneller von der Hand geht.

    Das stimmt. Da konnte man jede Menge einstellen. Allerdings kommt es auch immer auf die Planlage der Bogen und auf das Material an. Bei "guten" Materialien, die Plan liegen und nicht perforiert oder gestanzt sind, würde ich das unterschreiben.

  • Ich habe jetzt einige Tage gezögert hier etwas zu schreiben. Denn die angeblich „vollautomatischen“ Rüttler oder Schüttelmaschinen sind ein großes Thema.


    Beginnen wir mit der Historie.

    Meine erste Quelle für die Erkenntnis, dass Zusatzgeräte vor und hinter den Schneidemaschinen sehr wichtig sind, bezieht sich auf Prof. B. M. Mordowin. Direkt nach dem zweiten Weltkrieg beschrieb er, dass es wenig Sinn macht die Schneidemaschine schneller zu machen. Stattdessen sollte man überlegen wie der Bediener der Schneidemaschine von den Arbeiten vor und nach den eigentlichen Schneiden zu befreien ist. Vor 70-80 Jahren gab es aber noch nicht viele Zusatzgeräte für Schneidemaschinen. Im Grunde gab es nur den zweiten Mann.

    Wenn wir die Situation heute betrachten sehen wir viele halbautomatische Maschinen neben der Schneidemaschine. Vor etwa 40 Jahren ging es mit diesen Maschinen so richtig los. Es gibt viele Zusatzgeräte zum Be- und Entladen und auch die Bogenvorbereitung ist komfortabler geworden. Wirklich vollautomatisches Schneiden mit vollautomatischer Be- und Entladung ist selten. Und um wieder zum Thema zurück zukommen. Bei der Bogenvorbereitung sieht es nach wie vor ganz traurig aus.

    Es gab in den letzten 60 Jahren viele Versuche und teilweise wirklich gute Ideen. Ein Falzmaschinenanleger der einen Rüttler beschickte (war viel zu langsam), Ein Greifersystem, das dünne Lagen wie der Mensch auffächerte und in einen Rüttler legte (war auch zu langsam), um eine Trommel geführte dünne Lage die dann auf einen Rüttler fiel (war clever aber nicht reif für einen Kunden) und viele andere Ideen. Dann brachten erst Baumann und dann Polar die ersten wirklich verkauften Maschinen heraus. Einzelne dünne Lagen wurden zwischen zwei oder drei Walzen in sich verschoben und dann zum Rüttler weitertransportiert.


    Was sind die Probleme bei diesen Maschinen?

    Bedrucktes Papier hat sehr viele Eigenschaften, die sich häufig ändern. Mal kleben die Bogen zusammen, mal ist das Papier dünn, dann wieder dick, mal ist es Schmalbahn, mal ist es Breitbahn, mal liegt das Papier plan, mal sind die Kanten (besonders das Bogenende) extrem rund, mal rutscht das Papier gut, mal rutscht nix, mal tellert das Papier, mal ist es wellig, usw.

    Hierfür eine einzige Maschine anbieten, die alle diese Eigenschaften beherrschen kann ist nicht einfach und dann schnell sehr teuer.


    Was gibt es am Markt?

    Polar hatte einige Maschinen, hat dann aber aus rein politischen Gründen nicht weiter gemacht. Man sah keine Verkaufszahlen.

    Bauman verkauft die BASA und mittlerweile in der zweiten Generation. Baumann nennt das BASA Evolution. Und soweit ich weiß gibt es davon eine Maschine bei einem Kunden. Die Filme die ich gesehen habe zeigen, dass die zweite Generation wirklich etwas besser ist.


    Das ist alles was es an sogenannter „vollautomatischer“ Bogenvorbereitung gibt. Daneben gibt es Geräte die dem Bediener des Rüttlers die Arbeit ergonomisch erleichtern sollen.


    Also bleibt nur die BASA. Was ist die BASA?

    Wenn man sich die Internetseite von Baumann ansieht stehen da folgende Begriffe:

    vollautomatisch, Ergonomie, und Kosteneinsparung.

    Vollautomatisch arbeitet die BASA nur bedingt und nur im Idealfall. Im normalen Betrieb braucht man weiterhin einen Bediener, der hin und wieder eingreift.

    Ein ehemaliger Baumann-Kunde in West-Europa kaufte eine BASA der ersten Generation. Die Maschine wurde aufgestellt, konnte aber nicht vollautomatisch Material rütteln. Das Ende vom Lied war, dass die lokale Vertretung Geld wollte und der Kunde das Wort „vollautomatisch“ im Vertrag hatte. Es ist damals für die Vertretung sehr (!) teuer geworden.

    Und da verstehe ich auch die Internetseite von Baumann nicht. Entweder ist es eine vollautomatische Maschine ODER etwas für die Ergonomie. Beides geht gar nicht.

    Ein Kunde in Holland hat zwei BASA gegenüber aufstellen lassen. Der Bediener springt zwischen den beiden Maschinen ständig hin und her. Etwas links nachhelfen, etwas rechts richten. Das geht wohl ganz gut. Das ist ergonomisch, aber nicht vollautomatisch.

    Der dritte Begriff auf der Internetseite von Baumann heißt Kosteneinsparung. Wenn man nun bedenkt, dass eine BASA mehrere hundertausend Euro mehr kostet als ein ordentlicher Rüttler mit Lift, lohnt es sich mal die wirklichen Kosten zu überschlagen. Ich persönlich kenne die wirklichen Zahlen der Platzkostenrechnung bei den Kunden nicht. Also schätze ich einfach mal. Ein Bediener am Rüttler bekommt Lohn. Dann kommen dazu die Arbeitgeberanteile für Rente, Krankenkasse, etc. Vielleicht sind das dann 50.000 Euro im Jahr. Weniger wird es wohl nicht sein. Wie gesagt – geschätzt. Es wird dann theoretisch viele Jahre dauern bis der Unternehmer sein Investition eins zu eins zurückbekommt. Das ist dann aber immer noch kein wirkliches Geschäft.


    Was wird in der Zukunft?

    BASA hin oder her, ich glaube nicht, dass es in naher Zukunft eine wirtschaftlich Lösung für die Bogenvorbereitung geben wird. Nicht dass es an realistischen Ideen mangelt. Es ist reine Politik und da der Markt für Schneidemaschinen und Zusatzgeräte weiter schrumpfen wird, sind die Aussichten schlecht.

  • Danke für deine (wie immer) umfangreiche Erklärung.:)


    Dies deckt sich mit meinen Erfahrungen. Ich möchte nicht zu sehr aus dem "Nähkästchen" plaudern, es tauchten aber mit dem Maschinchen schon einige Probleme auf. Hauptsächlich zurückzuführen auf das Material, das bearbeitet werden sollte. Häufig mussten wir auf eine andere Maschine ausweichen (wir hatten zwei große und eine kleinformatige Schneidemaschine aus dem Hause Polar) und wie gehabt händisch rütteln. Nur eine der beiden "Großen" war mit der BASA ausgestattet.

  • Hallo Klaus,


    mit den 50.000 € im Jahr liegst Du richtig. Die nehmen wir auch als Basis für eine Amortisationsrechnung.


    Vielen Dank, für Deine historische Einordnung. Super!


    Zur aktuellen Lage. Wir überlagen auch, so etwas anzuschaffen. Allein rechnen tut es sich nicht. ABER: es ist immer schwieriger Personal zu bekommen, was die körperliche Arbeit des Rütteln übernehmen möchte. Ähnliche Ansätze wie beim Roboter hinter den Falzmaschinen. Es geht viel darum, den Arbeitsplatz attraktiver zu gestalten.

  • Doktor Flyer

    Und dann wundert man sich auch nicht wenn die Chef's irgendwann nervös werden.

    @striegler

    Eigentlich ist das Thema sehr traurig. Man könnte eine viel bessere Maschine zu 50-60% des BASA-Preises bauen. Aber die Ingenieure schauen den Leuten bei der Arbeit nicht richtig auf die Finger. Also bleibt es dabei. Irgendwann kommt jemand der Augen im Kopf hat. Ich wünsche ihm den Erfolg.

  • @ Dr. Flyer


    "wir hatten zwei große und eine kleinformatige Schneidemaschine aus dem Hause Polar) und wie gehabt händisch rütteln. Nur eine der beiden "Großen" war mit der BASA ausgestattet."


    Ihr hattet eine Polar mit einer BASA?! Hat das funktioniert? War die BASA günstiger als das vergleichbare Gerät von Polar? Oder wie kam es zu dieser Entscheidung?


    Ich kenne bisher immer nur "Sortenreine" Anlagen, d.h. Rüttler, Lift usw., Maschine von einem Hersteller.

  • Bei einer Online-Konfiguration gibt es zwei Geschwindigkeiten. Normalerweise sagt man die erste Maschine muss schneller sein als die zweite Maschine. Das ist hier aber nicht der Fall.


    Wieviele Schnitte mussten pro Lage durchgeführt werden damit die BASA hinterher kam? Bei rundum und trennen dürfte es schwierig sein einen ordentlichen Ablauf hin zubekommen.

    Aber wenn die BASA gar nicht hinterher kommt hat der Bediener Zeit zuhelfen. Gab es Zeitmessungen?

  • Da hast Du recht. Ein paar wenige Schnitte haben nicht ausgereicht, damit die BASA hinterherkam.

    Wir haben auf der Anlage zum großen Teil Druckbogen verarbeitet, die eine relativ hohe Grammatur und "viele" Nutzen hatten. Da kamen dann "ausreichende" Schnitte zusammen, die ein gutes Zusammenspiel ermöglichten. Die Auflagen passten (von den wiederkehrenden) Aufträgen dann auch. An einigen Aufträgen waren wir rund 5 Tage im Dreischichtbetrieb mit dem Schneiden beschäftigt. Dafür war die Anlage prima und eine große Erleichterung für den Bediener.

    Andere Jobs (Vorschneiden für die Druckmaschine, Trennen oder Vierteln für die Falzmaschinen oder andere Jobs mit wenigen Schnitten, wurde auf der anderen Anlage geschnitten und manuell gerüttelt.