Donnerstag 25 April 2024

Höhenunterschied - Ein unlösbares Problem?

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Dadurch das Papier einem ständigen Wandel unterliegt gibt es heute wunderschöne Produkte, aber auch das ein oder anderen Problem mit dem Werkstoff Papier. Wenn man die Papiersorten der letzten hundert Jahre betrachtet fällt sofort auf, dass Papier heute grundsätzlich weniger Volumen hat und härter geworden ist. Früher musste das Papier eine offene Oberfläche besitzen, die fettige Druckerschwärze aufsaugen und Höhenunterschiede der Lettern vertuschen. Heute gibt es fast keine Lettern mehr und die Druckgeschwindigkeiten sind um ein Vielfaches gestiegen.

Im Titelbild sieht man eine Auswirkung dieser Zusammenhänge. Das Bild zeigt die Schnittkante von kostengünstigem Kunstdruckpapier, dass mit einem HSS-Messer und wahrscheinlich mit etwas zu hohem Pressdruck geschnitten wurde. Man kann sehr gut die senkrechten Streifen in der Schnittfläche erkennen. Kunstdruckpapier ist durch seinen hohen Kreideanteil hart und lässt sich durch den Pressbalken praktisch nicht komprimieren. Die in jedem Papierbogen vorhandenen Dickenunterschiede multiplizieren im Stapel extrem. Gibt es pro Bogen eine Dickentoleranz von nur einigen tausendstel Millimeter und der Papierstapel ist 1000 Bogen hoch, haben wir schnell einige Millimeter Höhenunterschied im gesamten Stapel. Zum Glück werden am Rollenschneider in der Papierfabrik die Bogen aus mehreren Rollen gemischt. Dadurch wird der Dickenunterschied etwas reduziert. Dennoch wird Höhenunterschied bei hartem Kunstdruckpapier oft an der Schnittkante sichtbar. Nach dem Schnitt sieht man die senkrechten Streifen und die Schnittfläche ist auch etwas wellig.

Höhenunterschiede können auch andere Ursachen haben. Es gibt Verfahren die ganz bewusst einen extrem dicken Druckfarbauftrag erzeugen. Hierdurch fühlt sich das spätere Produkt wie ein Relief an oder es sieht edler aus.


Höhenunterschiede durch Druckfarbe

Vom unteren bis oberen Bogen liegen die Bögen vor dem Druck sehr plan auf der Palette. Nach dem Druck kann man oft Höhenunterschiede sehen. Nach dem Schneiden sehen hin und wieder die abgesetzten Stapel bei zunehmender Höhe immer schiefer aus. In solchen Fällen kann man den Farbauftrag sehr gut erkennen.


Hier im Bild sind recht kleine Nutzen auf dem Druckboden. Durch den Farbauftrag wird das Papier wellig.



Wird solch ein Papierstapel in der Schneidemaschine gepresst, werden nur die erhöhten Stellen durch den Pressbalken erreicht. Hierdurch entstehen Zonen, die einen hohen Pressdruck erhalten und Zonen, die wenig Pressdruck erhalten. Das Ergebnis ist eine hohe seitlich Belastung für das Messer und eine schiefe Schnittfläche. Ist zusätzlich das Messer weich kommt es, wie im Titelbild zu sehen zu senkrechten Streifen an der Schnittkante.


Höhenunterschied durch Toner

Da heutzutage digitale Druckverfahren etwas völlig normales sind, sind die Bediener der Schneidemaschine oft extrem gefordert. Der Toner der digitalen Druckverfahren erzeugt pro Bogen einen sehr hohen Farbauftrag.

Hier wurde ein Farbstreifen am oberen Produktrand gedruckt. Beim Schneiden ohne Höhenausgleich entsteht unweigerlich eine ungerade Schnittfläche.


Höhenunterschiede durch Pressdruck

Besonders die Bediener die oft Streifen schneiden, planen die Schnittfolge so, dass sie die Streifen einfach drehen und anlegen können. Durch den Pressdruck werden Streifen in der Höhe verändert.

Die hier im Bild gezeigten Streifen wurden so gedreht, dass sie mit der niedrigeren Kanten nach rechts in Richtung Seitenlineal anliegen. Der Bediener kann jetzt die oberen Bogen leicht zurechtrücken. Die gelben Pfeile zeigen auf die niedergedrückte Kante der Streifen und geben an in welche Richtung der Bediener die oberen Bogen ausrichtet. Im ersten Augenblick scheint die Höhenreduzierung durch die Pressung vorteilhaft zu sein. Und das ist in Bezug auf das Drehen von Streifen sicherlich auch so. Werden die Nutzen jedoch kleiner kann ein schiefer Stapel auch zu Problemen beim Handling nach dem Schneiden führen.

Im nächsten Bild sind zwei Stapel Visitenkarten aus hochvolumigem Karton zu sehen. Wie zu sehen ist fehlt nicht viel und die kleinen Stapel fallen um.


Höhenunterschiede durch Prägung

Da Prägungen einzelne Stellen eines Druckproduktes hervorheben sollen, entstehen durch Prägungen meist viele kleine erhöhte Stellen.

Das hier im Bild gezeigte Weinetikett besitzt neben dem Druck und der Verarbeitung mit Heißprägefolien noch eine Prägung des Schriftzuges. Die Etiketten werden dadurch in zwei Richtungen mechanisch verformt. Bei der Verarbeitung derartiger Produkte mit hoher Einlagehöhe gibt es leicht Problem mit der Maßhaltigkeit.


Höhenunterschiede bei Heften, Broschüren und Büchern

Jeder der schon einmal fadengeheftete oder klebegebundene Broschüren oder Bücher geschnitten hat, kennt die Schwierigkeiten mit dem dickeren Rücken.

Das hier im Bild gezeigte klebegebundene Buch wurde ohne Höhenausgleich geschnitten. Der Rücken ist beschädigt und unansehnlich. Ist der Höhenunterschied sehr hoch kann es auch dazu kommen, dass die Schnittflächen ungerade werden.

Im nächsten Fall wurde ein schlechter Höhenausgleich durchgeführt. Das Produkt wurde nicht auf der ganzen Fläche gepresst. Dadurch konnte das Messer den Buchblock seitlich verdrücken und die Schnittkante wurde schief.

Eine oft problematische Sache sind Heftklammern. Manchmal kann man die Schwierigkeiten reduzieren, indem man die Heftklammern versetzt anordnet.

         

Liegen die Heftklammern wie im linken Bild gezeigt direkt übereinander entsteht ein großer Höhenunterschied. Im rechten Bild sind die Heftklammern versetzt. Dadurch wird der Höhenunterschied wesentlich reduziert. Sammelhefter bieten die Möglichkeit die Mitnehmer der Ketten umzusetzen. Werden Produkte manuell geheftet, kann man sich zwei Anlagen einrichten und wechselseitig anlegen.


Höhenunterschied durch gefalzte Seiten

Befinden sich zum Beispiel in einem Buch gefalzte und durch den Leser später herausklappbare Blätter verschiebt sich der Höhenunterschied vom Rücken in den Buchblock und zur Vorderkante des Buches. Diese Höhenunterschiede können sehr extrem werden.

Für Versuchszwecke wurde ein Buchblock mit zu vielen gefalzten Blättern geschnitten. Ein einfacher Höhenausgleich reicht in solchen Fällen nicht aus. Die Herstellung solcher Produkte sollte dem Kunden gegenüber schon im Vorfeld kritisch beurteilt werden. Man kann dem Kunden die zu erwartenden Schwierigkeiten mit einem Blankomuster erklären.


Abhilfe bei Höhenunterschieden


Reduzierung der Einlagehöhe

Die einzige wirkliche Abhilfe bei Höhenunterschieden ist die Reduzierung der Einlagehöhe. Oft ist die Verarbeitung schwieriger Produkte nur bei reduzierter Einlagehöhe möglich. Der Bediener wird aber immer bemüht sein andere Wege zu finden. Deshalb hier einige Erfahrungen.


Schnittfolge überdenken und hohe Stellen hinter die Schnittlinie bringen

         

Im linken Bild liegen die Höhen im Wesentlichen vor dem Messer. Tritt das Messer in den Papierstapel ein, wird die Schräge der Schneide zusätzlich zur Verdrängung des Materials vor dem Messer auch noch gegen die erhöhten Stellen drücken. Besonders die oberen Bogen leiden unter dem Druck. Im rechten Bild ist die Vorgehensweise günstiger. Hier befindt sich die größte Höhe unter dem Pressbalken. Beim Schnitt ist der Druck auf das Material vor der Schnittlinie geringer. Der Schnitt wird einfacher und sauberer.


Höhenunterschiede sichtbar machen

Bei komplizierten Formen kann es schwierig werden die Position der Höhen zu identifizieren um dann die Schnittreihenfolge richtig zu planen. In solchen Fällen wird der Materialstapel oder der Stapel eines einzelnen Nutzens mit einer druckempfindlichen Folie abgedrückt.

Im Bild sieht man einen Abdruck der mit einer Druckmessfolie durchgeführt wurde. Die dunkleren Stellen sind die erhabenen Stellen. Der Bediener bekommt mit dem Abdruck ein Gefühl dafür wo im Papierstapel die Schwierigkeiten liegen.


Bei welligem Schneidgut einen Neigesattel einsetzen

Durch Höhenunterschiede im Materialstapel kommt es oft zu einer Welligkeit der oberen Bogen. Hierdurch werden sie an der Schnittlinie betrachtet kürzer. Das Ausstreichen der oberen Bogen hilft etwas aber nicht wirklich. Besitzt die Schneidemaschine einen Neigesattel kann man den Sattel oben nach vorn stellen und so die Welligkeit ausgleichen.

         

Links im Bild liegt der wellige Stapel an einem geraden Sattel an. Im Bereich der Schnittlinie ist die Vorderkante des Stapels nicht mehr senkrecht. Rechts wurde die Welligkeit durch den verstellten Sattel ausgeglichen.


Höhenausgleich durchführen

Schon ein geringer Höhenausgleich ist erreicht, wenn das Abdeckblech mit einem alten Gummituch der Druckmaschine beklebt wird.

Wie im Bild zu sehen wurde ein Abdeckblech mit einem Stück eines alten Gummidrucktuches und mit doppelseitigem Klebstreifen für leichte Höhenunterschiede vorbereitet. Der notwendige Streifen wurde diagonal aus einem Gummituch herausgeschnitten. Die Kosten sind in diesem Fall sehr gering. Das Gummituch ist ein Verschleißteil und das doppelseitige Klebeband ist nicht teuer.


Abdeckblech mit Gummieinlage

Früher gab es das sogenannte flexible Abdeckblech. Ein Sandwich aus Abdeckblech, einer Gummischicht und einer Federstahlunterlage ermöglichte einen gewissen Höhenausgleich.

Die Idee des flexiblen Abdeckbleches war früher sicherlich hilfreich. Der Federstahl ermöglichte eine lange leicht wellige Auflagefläche. Das mag bei der Verarbeitung von Werkdruck- oder vergleichbaren Papieren gut funktionieren. Bei den heutzutage meistens verwendeten Papieren sind die Wellen aber sehr kurz. Dadurch ist dieses Abdeckblech völlig aus der Mode und wird praktisch nicht mehr verwendet.


Matrize aus Pappe

Umso größer der Höhenunterschied ist, umso dicker muss das Ausgleichsmaterial sein. Befindet sich die Höhe immer an der gleichen Stelle ist eine Matrize die einfachste und kostengünstigste Lösung.

Früher wurde zum Beispiel beim Schneiden von Büchern und Broschüren grundsätzlich eine einfache Matrize aus Graupappe benutzt. Diese Matrize wurde unter den Pressbalken geklebt. Das Buch wurde dann entsprechend der Matrizenposition ausgerichtet und geschnitten. Bei großen Auflagen kann die Matrize so gestaltet sein, dass man mehrere Produkte nebeneinander legen und zusammen schneiden kann.


Filz in unterschiedlichen Dicken

Ändert sich die Position der Höhen ständig, wird die Anfertigung immer wieder neuer Matrizen zu umständlich sein. In solchen Fällen kann es sehr hilfreich sein einen Filzstreifen auszuprobieren.

Im Bild ist ein etwa 1 cm hoher Stapel von digital bedrucktem Papier zusehen. Bei jedem Auftrag und damit vielleicht bei jedem neuen Stapel sind die Höhen an einer anderen Stelle. Deshalb muss der Höhenausgleich flexibel sein. Heute wird meistens Filz als Höhenausgleich verwendet. Filz ist ein Material aus pflanzlichen Fasern oder tierischen Haaren und kann ganz normal geschnitten werden. Es besteht also kein Risiko das Messer durch den Filz zu beschädigen. Filz wird in unterschiedlichen Dicken angeboten. Die Erfahrung sagt, dass ein 10 mm dicker Filz in der Regel vorteilhaft ist. Der Filz wird nach dem Zuschneiden mit doppelseitigem Klebeband unter das Abdeckblech geklebt und dann mit einem normalen Schnitt nach vorn genau abgeschnitten.


Weiche Kunststoffe

Wer oft mit Höhenunterschieden zu tun hat, wird irgendwann den Nachteil von Filz erkennen. Filz eignet sich wirklich gut als Höhenausgleich ist aber auf lange Sicht bei häufiger Anwendung nicht sehr langlebig. Außerdem sollte man Filz in der Schneidemaschine nur in größeren Stücken benutzen. Kleine Stücke unter 2-3 cm überdauern die Belastung beim Pressen und Lösen nicht auf lange Zeit.

Die Alternative sind weiche Kunststoffe. Es gibt einige weiche Kunststoffe, die sich auch als Höhenausgleich eignen. Hier kommt in erster Linie Cellasto in Frage. Cellasto ist teurer aber auch langlebiger als Filz. Deshalb sollte man erst einige Erfahrungen mit Filz sammeln und dann bei Bedarf einen Kunststoff wählen.

Auch weiche Kunststoffe werden in unterschiedlichen Dicken angeboten. Man sollte bei der Auswahl bedenken, dass der Pressbalken den Kunststoff zusammen drücken wird und die Außenkante nach dem ersten Schnitt etwas hohl ist.


Zuviel Höhenausgleich

Leider gibt es beim Höhenausgleich nicht nur die Pressung zu beachten. Auch das Messer wirkt auf das Schneidgut. Dadurch dass das Messer einen gewissen Druck auf die einzelnen Bogen ausübt, wird die Grenze des Höhenausgleichs schnell erreicht. Man kann die Auswirkungen leicht provozieren. Liegen die Bogen zwischen, bzw. neben den Höhen nicht mehr aufeinander und stützen sich dadurch nicht mehr gegenseitig ab, beschädigt das Messer die einzelnen Bogen. Man kann diesen Effekt geringfügig durch Drehen des Produktes und damit der Änderung der diagonalen Schnittrichtung reduzieren.

Hier im Bild kann sich das Material zumindest seitlich noch etwas abstützen. Aber die Zerstörung der einzelnen Bogen beginnt. Im nächsten Bild ist das gleiche Produkt nun aber an der vorderen unteren Ecke zu sehen.

Wie man im Bild gut erkennt, ist zu viel wirklich zu viel. In solchen Fällen hilft nur die Reduzierung des Höhenunterschieds durch geringere Einlage oder eine besser Produktplanung.


Woher bekomme ich Hilfe

Hilfe gibt es natürlich von Fachberatern der Schneidemaschinenhersteller. Manche Hersteller bieten auch spezielle Hilfe an. Die sogenannten Schneideexperten sind in der Regel kostenlos und hilfreich.

Bei Bedarf kann auch hier im Forum geholfen werden und eine nähere Spezifizierung der möglichen Ausgleichsmaterialien erfolgen.

Über den Autor

Eigentlich bin ich Autoschlosser. Danach kam der Lokführer, aber ich habe kurz vor Toreschluss abgedreht. Danach habe ich verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Hilfsarbeiter, Betriebsschlosser, LKW-Fahrer, Mitinhaber einer kleinen Druckerei, Herausgeber einer Stadtteilzeitung, und vieles mehr. Dann habe ich Buchbinder gelernt. Ich hatte wieder Glück und in Essen einen sehr guten Lehrbetrieb. Kisten, Kästen, Sprungrücken, Ledereinband, Broschüren, Bibliothekseinbände und so weiter.
Als dann die Lehre um war, habe ich versucht dass bis dahin gelernte in einer Sache zusammen zufügen. So bin ich bei Polar gelandet. Ich arbeitete 30 Jahre im Service und in der technischen Schulung. Dann wurde ich krank. Jetzt bin ich Rentner. Ich schneide Baumstämme, baue Möbel und Maschinenzusätze.

Buntpapier Moderator

Kommentare 1

  • Vielen Dank für den aufschlussreichen Artikel. Viel hat man ja leider selbst schon erlebt.