Freitag 29 März 2024

Leimfreie Bindungen

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  • Hallo Profis,


    hier mal wieder eine Frage/ein Problem von mir Semiprofi...


    Ein Kunde (auch eher Laie, also kein prof. Drucker) möchte ein Buch ca. 50 Seiten auf 300 Gramm Papier gedruckt gebunden haben. Es sind Einzelseiten (also keine Lagen, sodass eine "normale" Fadenheftung nicht zu machen ist).
    Lumbecken geht wohl eher auch nicht, wegen der Papierstärke (oder doch?) und außerdem stimmt die Laufrichtung nicht.
    Die von mir vorgeschlagene japanische Bindung gefällt meinem Kunden nicht...


    Welche Möglichkeiten gibt es noch, die Einzelseiten möglichst leimfrei zu verbinden?


    Ich freu mich auf Eure Ideen!

  • Danke für Eure schnellen Antworten!
    Allerdings hatte ich vergessen zu erwähnen: So was "Technisches" mögen meine Kunden auch nicht... Es soll am Ende am besten aussehen wie ein "richtiges" gebundenes Buch. Schwieriger Fall, oder? ?(

  • Ich kann nur theoretischen Kram dazu betragen. Denn das ist ja eine typische Hürde die die/der Buchbinder(in) zu umgehen versucht. Aber manchmal kann man nicht weglaufen. Das Dumme ist ja auch, dass die wenigsten Kunden schon bei der Planung an die spätere Bindung denken.
    Lumbecken – Ich glaube das die falsche Laufrichtung zwar das Blättern im Buch negativ beeinflusst, aber die Bindung wird wohl gleich schwierig werden. Ich denke es wäre einen Versuch wert, weil ein dicker Karton auf viel Klebefläche für den Leim bietet. Wenn Du etwas Makulatur bekommen kannst, könntest Du einen Versuch machen. Den aufgefächerten Block würde ich mit Schmirgelpapier anschleifen. ALLE gelieferten Papiersorten haben heutzutage mindestens 10 Gramm Strich pro Seite und da hält der Leim (wie wir wissen) nicht wirklich. Ich habe dann nicht mit Gaze hinterklebt, sondern alte Stoffreste (zum Beispiel alte weiße Jeans) benutzt. Der dicke Stoff hemmt brutales aufbrechen des Rückens. Wenn es keine Makulatur gibt kannst Du den Kunden fragen ob er 2-3 mm Beschnitt am Rücken für einen Versuch opfern will. Dann sollte man auch überlegen wie oft das Buch gelesen wird. Wird es täglich gelesen ist lumbecken sowieso schwierig.
    Japanische Bindung oder Buchschrauben – Leider verliert man mit den Buchschrauben sehr viel vom Format das Buches. Man braucht Platz für die Schrauben und kann dann trotzdem noch nicht blättern. Ich denke man muss mindestens 2 cm Verlust kalkulieren. Deshalb habe ich das nur bei einigen wenigen Fotoalben gemacht. Da muss man sich auch vor dem Druck überlegen.
    Fadenheftung – Werden die losen Blätter gefalzt und dann fadengeheftet trägt der Rücken fürchterlich auf 50 x 0,3 mm = 15 mm und damit sinnlos. Wenn der Karton 1,5faches Volumen hat, kannst Du den Block auf etwa 10 mm Steigung runter pressen. Das ist aber eigentlich immer noch zu viel. Wenn Du fälzelst wie Papierfrau schreibt und dann heftest ist die Steigung wesentlich geringer und der Block wird stabil. Das Fälzeln ist wohl die beste Lösung, kostet aber auch viel Zeit.
    Buchringe – Der Vorteil ist, das man wirklich gut blättern kann und ein Karton wird nicht schnell ausreißen. Ein Nachteil kann auftreten wenn das Buch im Regal mit anderen Büchern stehen soll.


    Buntpapier

  • Vorschlag von mir,


    außen eine richtige Buchdecke und innen den Block mit Plastik-Effekt oder Wire-O binden.
    Die Buchdecke innen mit Spiegeln versehen und den Block dann auf den hinteren Deckel nur noch einkleben.


    Bis denne...

  • Dann bleibt Dir eigentlich nur eines: die Blätter zu Lagen fälzeln, mit möglichst wasserfreiem Kleber und dann heften.. wie ein richtiges Buch?


    Da merke ich jetzt wieder, dass ich eben kein Profi bin...
    Was ist genau mit "zu Lagen fälzeln" gemeint? Und welcher Kleber ist denn wasserfrei?

  • Ich habe so etwas noch nicht gemacht. Fälzeln kenne ich als Schutz von geklammerten kleinen Heften oder als Reparatur von beschädigten lagen im Falz. Aber es wurde während meiner Lehre oft darüber geredet. Deshalb habe ich ein Foto versucht. Die zwei von hinten fotografierten Fotos stellen Deine losen Blätter dar. Der Fälzelstreifen ist dann die Verbindung. Ich weiß aber nicht ob etwas Abstand zwischen den Blättern besser ist und in welche Richtung man am besten falzt. Was es mit dem Klebstoff auf sich hat kann ich auch nicht sagen. Wahrscheinlich meint Papierfrau, dass man keinen Kleister benutzen sollte, sondern eine Dispersion. Vielleicht hast Du eine Anleimmaschine für die Fälzelstreifen. Damit kann man die Leimmenge gut regeln und der Leim ist nicht überall.


    Buntpapier


    P.S.: Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen

  • Lagen fälzeln heißt mit einem Streifen dünnem Gewebe oder Papier die einzelnen Blätter lagenweise verbinden. Wenn Du schreibst 50 Seiten.. sind das dann wirklich Seiten, oder meinst Du Blätter (mit je 2 Seiten). 50 Seiten wären *nur* 25 Blätter. 50 Blätter sind 100 Seiten. Ich frage desswegen, weil 25 Blätter könntest Du gut mit Schirtingstreifen zusammenkleben. Bei 50 Blättern würde ich an deiner Stelle lieber die Selbstklebestreifen von Neschen nehmen. Da gibt es selbstklebende Papierstreifen in weiß, 2cm breit von der Rolle und noch dünnere, bei denen man durchschaun kann. Die tragen dann auch kaum auf. Natürlich sind die Rollen nicht ganz billig und: nein, ich bekomme keine Provision von Fa. Neschen *g*. Die weißen Klebestreifen nennen sich Filmoplast P, die ganz dünnen Filmoplast P 90. Beide sind säurefrei, alkalisch gepuffert u.s.w. aber trotzdem bei Restauratoren auch etwas kritisch beäugt. Die Frage nach dem richtigen Leim würde dann auch entfallen.
    Bei dem Schirtinggewebe handelt es sich um weißes oder auch graues ( Landkartenschirting) unkaschiertes Gewebe. Wenn Du mit anderem Papier fälzeln willst, dann nimm möglichst dünnes, wenn möglich unter 80gr/m². Eine Steigung im Rücken wirst Du aber bei 50 Blätter nicht verhindern können. Heftung dann mit dünnem Zwirn und ev. mit versetztem Stich.
    Als Leim würde ich Planatol BB - natürlich unverdünnt oder den AD 94/5B versuchen. Wäre gut wenn Du ein paar unbedruckte Blätter vom Kunden bekämst....und dann üben könntest was auf Buntpapiers Foto zu sehen ist.
    Ich zieh Gewebestreifen immmer von einer Glasplatte ab.... aber ich kann das nur schwer beschreiben wie ich das mache: Leim dünn auf die Glasplatte streichen, den Gewebestreifen auflegen und einmal nach oben abziehen, dann wieder auflegen und nach unten abziehen.


    So, ich hoffe alle Klarheiten restlos beseitigt zu haben ;-)

  • Aha, das bedeutet fälzeln also. Danke für die ausführliche Beschreibung! Wieder was gfelernt.


    Witzig ist: Die Idee hatte ich auch und so hab ich auch ein Probeexemplar gemacht: Immer zwei Einzelblätter mit Filmoplast zusammenkleben und dann alles heften. Allerdings habe ich die Doppelseiten nicht zu Lagen zusammengelegt, weil das mit dem 300 Gramm Karton zu dick geworden wäre und ich hätte auch nicht einfach die jeweils aufeinander folgenden Seiten aneinanderkleben können, sondern hätte neu sortieren müssen (ich weiß gerade nicht, wie der Fachbegriff dafür heißt, ich hoffe ihr wisst, was ich meine...) Ich habe also jede Doppelseite einzeln geheftet. Ich hab also quasi nur durch das Klebeband hindurch geheftet.
    Das Problem dabei war nur leider, dass der Klebestreifen so dünn ist, dass er teilweise beim Heften aufgerissen ist. Also, ich meine, beim Festziehen (und ich war schon sehr vorsichtig) ist das Klebeband von Faden aufgerissen worden, sodass dann die Feftung natürlich nicht hält. Blöd.


    Es sind übrigens wirklich 50 Blätter, einseitig bedruckt. Jeweils zwei Blätter sind vom Kunden punktuell zusammengeklebt worden, weil sich zwischen den Blättern die "Mechanik" für die "bewegten Bilder" im Buch verbirgt. Das hat vielleicht zusätzlich dazu geführt, dass das Filmoplast nicht gehalten hat, weil die Blätter so insgesamt zu schwer sind. Kann das sein?


    Oh je... schwieriger Fall.

  • Auja, das ist gut möglich, daß dafür das Fälzelpapier zu dünn ist. Wenn Du den Buchblock jetzt ableimst, hast Du eine Blockleimung mit Heftzwirn *g*.
    Dann doch besser mit Shirtingstreifen arbeiten. Die sind auf alle Fälle stabiler.. allerdings tragen die auch mehr auf, d.h. der Buchrücken wird dicker. Eine Möglichkeit fällt mir noch ein: der Patentfalz. so wie die alten Fotoalben mit den dicken Kartonseiten gebunden wurden. Aber da muß ich erst selbst noch nachschaun. Hab ja ein altes Exemplare da, aber noch nie diese Art Falz selbst gemacht. Ich melde mich wieder

  • @Georgius
    Es wird nach wie vor die Idee gewesen sein nicht zum „lumbecken“. Das wäre bei einem 300g Karton nicht so einfach.
    Papierfrau
    Ich denke, dass ein kräftiges abpressen den Karton dahin schmelzen läßt. Kein Papierfabrik wird mehr als notwenig Papierfasern in einen Karton bauen; das wäre Geldverschwendung.


    Buntpapier

  • Also Patentfalz ist auch nix. 1. zu kompliziert und 2. hält die Ableimung dann ja auch nicht so wirklich gut. Buntpapiers Vorschlag ist gut: nach dem Fälzeln abpressen was das Zeug hält und wenn die *pop-up*-Technik das nicht verträgt, dann mit schmalen Leisten nur den Buchrücken pressen und nicht den ganzen Block. Ich würde Dir aber trotzdem dazu raten Lagen zu bilden, auch wenn es nur 4 geklebte Kartons sind pro Lage. Du kannst die Einzelblätter ja vorher ganz klein und leicht mit Bleistift durchnummerieren, dann kommst nicht durcheinander. Nach dem Heften die Zahlen wieder ausradieren.
    Ach, ich glaube am besten ist es, wenn wir mal vorbeikommen und uns die Geschichte beratend anschaun :thumbsup: . Wir sehen dann auch welche Pressen Du verwenden kannst und überhaupt..... :D :D :D :D

  • Au ja, lasst uns alle treffen und den Auftrag zusammen abarbeiten :D


    Aber Spaß beiseite: Vielen Dank für den hilfreichen Austausch! Hat mir auf jeden Fall geholfen.


    Jetzt hab ich noch eine kleine Frage zum Schluss. Ich hab ein altes Buch, über A4 groß, eine "synchronoptische Weltgeschichte" (ist aber nebensächlich, welcher Inhalt). Interessant ist die Bindung: Von außen sieht es aus wie ein "normaler" Deckeneinband. Allerdings scheint sich darinnen eine Fadenheftung ähnlich einer japanischen Bildung zu verstecken - allerdings sieht man die Bindung an der oberen und unteren Buchseite von Außen nicht. Wenn man das Buch aufschlägt, bleibt wie bei einer japanischen Bindung am Buchrücken ein Steg.
    Wisst ihr, was ich meine? Wie heißt so eine Bindung?


    Hier könnt ihr mal schauen:
    http://www.buchfreund.de/covers/14361/BN19836.jpg

  • Ich würde sagen: japanische Blockheftung trifft Album :-).
    Soweit ich das erkennen kann sind da Häubchen gearbeitet wie bei einem Fotoalbum. Desswegen sieht man vom Schnitt her die Heftung nicht. Die Einbanddecke hat im Falz eine zusätzliche, bewegliche Schiene in die der Buchblock in Blockheftart eingebunden ist. Auf diese Art kann man auch Fotalben machen.
    (Für ein Pop-up Buch würde ich das aber nicht empfehlen, denn die Seiten sind etwas sperrig zu öffnen und Pop-up lebt ja vom Öffnen.)

  • Hallo Navina ,
    Papierfrau hat es genau getroffen ! Als ich das Bild gesehen habe erkannte ich auch sofort ein Album . hab sogar vorsichtshalber noch mals im Buch nachgeschlagen und
    dort sind auch beide Techniken erklärt . Stimme Papierfrau mit Ihrer nicht empfehlung wie beschrieben auch zu .

  • Stimmt, für ein Pop-up-Buch ist das nicht geeignet. ABer es wäre eine Bindetechnik, bei der der Buchblock selbst nicht geleimt werden muss, oder? Und Lagen braucht man auch nicht.
    Papierfrau: Was mit den Häubchen und der beweglichen Schiene gemeint ist, hab ich noch nicht ganz verstanden... Kannst Du das noch einmal genauer beschreiben?
    Ich muss mir doch noch mal gute Fachliteratur besorgen, in der so was beschrieben wird...
    Ich danke Euch allen für Eure Hilfe!

  • Stimmt schon, geleimt wird der Buchblock nicht.... aber gelöchert! Es sei denn man klebt an jedes Blatt einen breiten Steg und löchert den für die "senkrecht" Heftung durch. Eine Möglichkeit wäre auch die losen Blätter zu einem endlos langen Leporello mit Hilfe von schmalen Fälzen zusammenzufügen und ihm dann eine normale Buchdecke verpassen. Ja, je mehr man überlegt umso mehr fällt einem ein... arme Lavina :-)


    Eine bewegliche Schiene ( wobei ich jetzt nicht weiß ob der Fachausdruck wirklich richtig ist) ist eine U-förmige, innen auskaschierte Pappe die nach dem Überziehen der Einbanddecke auf den Rücken innen aufgeklebt wird. Erst dann wird innen Falz und Schiene überzogen. In dieses U-förmige Teil steckt man später den Buchblock und befestigt ihn mit einer Blockheftung. (Weja, schwer zu beschreiben).
    Ein Häubchen, oder auch eine Kapsel genannt sieht so aus:


    Das Album habe ich in meiner Lehrzeit gemacht:-)