Donnerstag 28 März 2024

Hinterkleben - Unterschiede Deutschland und England?

Hey! Der Forenbetrieb ist eingestellt worden. Das Forum fungiert ab sofort nur noch als Archiv. Schließe dich doch schnell unsere Facebook-Gruppe an, damit du weiter diskutieren und mit den Mitgliedern in Kontakt bleiben kannst!
  • Hallo zusammen,


    ich habe mir in den letzten Wochen zwei YouTube Kanäle zum Thema Buchbinden gespannt durchgesehen. Einmal ist es der DAS Bookbinding und zum anderen der Four Keys Book Arts. Beide zeigen ausführliche Anleitungen zum klassischen Buchbinden (sind übrigens sehr empfehlenswert).

    Was mir auffällt, ist, dass beide andere Schritte machen, als ich sie bisher mache bzw. aus Wiese usw. anders gelernt habe:

    Ich habe nach dem vernähen und Vorsatz machen immer am Rücken mit Leim eingestrichen (dabei eingepresst gehalten), dann ggf. gerundet, dann Gaze über die gesamte Buchrückenhöhe (abzüglich Kapitalbandplatz) angebracht, Kapital angeklebt und anschließend die Hülse aus Natronpapier aufgebracht.

    In beiden YouTube Kanälen machen die nach dem aufkleben der Gaze erst einen Höhenausgleich der Bänder und kleben dünnen Karton zwischen die Bänder. Eine Hülse verwenden die nicht wirklich.


    Macht ihr beim hinterkleben diesen Höhenausgleich? Wird das insbesondere bei dünnen Büchern nicht zu steif? Meine dünneren Bücher sind durch die Gaze, hülse und Leim schon manchmal fast zu steif.


    Ist die Hülse denn nicht üblich bzw. nur in Deutschland Standard?


    Danke und schöne Grüße!

  • Hallo Schwabe!


    Ich habe gelernt, dass je aufwendiger ein Buch gefertigt wurde auch mehr und mehr Höhenausgleich betrieben wurde. Da waren zum Beispiel bei der Decke außen der Höhenausgleich wenn es sich um ein Halbleinen (nicht Halbleder) handelte und natürlich die Fläche an der das Vorsatz angeklebt wird.

    Beim Buchblock ist der Höhenausgleich der flachen Heftbänder nichts besonderes. Auch im Bereich der Verbindung zwischen dem Buchblock und der Decke kann man viel ausgleichen. Wenn man für eine Decke eine etwas dünnere Pappe nimmt sieht man die Arbeit mit dem Höhenausgleich nur wenn man sich wirklich auskennt.

    Es gibt aber nicht nur den Höhenausgleich durch aufkleben von Papier, etc. Man kann ja auch Material entfernen. Wenn man die Deckel einzeln am Buchblock befestigt, kann man die Heftbänder wunderschön auf die verschiedenste Art und Weise verstecken. Die Deckel werden teilweise geschwächt, die runden Heftbänder werden aufgefasert und / oder durch die Deckel hindurchgezogen. Da kann man vieles machen.


    Natürlich wird der Buchrücken steifer je mehr man ihn hinterklebt. Aber viele Menschen mögen auch einen steifen oder steiferen Rücken. Wenn das mit weichem Rücken Buch im Regel steht, besteht ja immer die Gefahr, dass der Buchblock durch das Gewicht oben aus der Form wandert und dann im wahrsten Sinne des Wortes wie ein nasser Sack in der Decke hängt. In solchen Fälle liegen irgendwann die Buchseiten unten (außen) auf dem Regalboden auf und werden schmutzig. Ist der Rücken steif hängt der Buchblock nicht oder nicht so schnell durch.

    Früher war das kein Problem. Früher gab es noch einen weißen Rand auf den Buchseiten. Da war es nicht so wichtig das man ein Buch nicht soweit öffnen konnte, dass man sofort die Heftfäden sah.


    In meiner Lehre war die Hülse zwar nicht verpönt, aber doch als nutzlos bezeichnet worden. Der Grund war das Argument, dass das Gelenk des Buchdeckels (also der Falz) durch die Hülse gesperrt wird. Aber das ist auch Geschmacksache. Ich denke die Hülse hat nicht wirklich die Funktion den Buchrücken zu versteifen. Sondern dem Betrachter bei geöffnetem Buch nicht den freien Blick auf den billigen Rückenschrenz mit dem Einschlag des Bezugsmaterials und den verleimten Rücken des Buchblocks zu ermöglichen. Das geöffnete Buch sieht mit Hülse ordentlicher aus.


    So, dann noch danke für den Hinweis zu den Youtube-Kanälen. Ich werde dort mal ordentlich rumstöbern.


    Buntpapier

  • Hallo Buntpapier,


    wie gewohnt, eine sehr kompetente Antwort - ich danke Dir!


    Übrigens, die beiden Kanäle auf YouTube sind wirklich sehenswert.


    Viele Grüße und ein schönes Wochenende!

  • Hallo Schwabe,

    ich glaube die unterschiedlichen Arbeitsweisen sind überwiegend dem jeweiligen Ausbilder geschuldet und der jeweiligen landestypschen Buchbinder-Tradition .. oder so.;)

    Mein erster Meister kam aus dem Osten, hatte aber einen französischen Lehrmeister. Er hat mit dem Daumen die Einschläge rübergezogen... hab ich nirgends mehr so gesehen.

    Bei einer Handheftung auf Heftband verwende ich nie Gaze als Hinterklebung, sondern nur Packpapier.. gelegentlich auch Vorsatzpapier. Ich habe um die erste und letzte Lage immer einen Schirtingstreifen. Gaze gibt's bei mir bei Klebebindungen. Zwischen den Bünden klebe ich einen Ausgleich nur wenn diese wirklich dick sind und ich fürchten muss, dass sie sich durch den Einbandrücken später abzeichen. Das kommt aber eher selten vor.

    Bei Heftung auf Schnur, wo man später die Bünde am Lederrücken sehen soll, klebe ich Packpapier zwischen die Bünde. Manchmal auch mehrere Lagen bis sich keine einzelnen Lagen mehr abzeichen. Oder ich klebe zwischen die einzelnen Bünde Hülsen aus Schrenz und Schirting... kommt auf die Decke an.

    Hülsen soll man, soweit ich mich an meine Lehrzeit erinnern kann, ab einer Buchstärke von 2cm. Die Hülse dient dazu dem Buchblock einen zusätzlichen Halt am Rücken zu verleihen, damit er fester im Einband hält und nicht so leicht nach vorne ausbrechen kann. Auch entlastet man damit die "Sollbruchstelle" des Vorsatzes im Falz.

    Soweit meine Erinnerung.... bitte korrigieren wenn ich damit falsch liege ... ich werd alt....


    Gruß Papierfrau