Freitag 29 März 2024

Die Schneidleiste – Geschichte, Material und Fehlersuche

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Eine Papierschneidemaschine, auch Planschneider genannt, besitzt ein recht langes Messer. Dieses Messer wird aus seiner oberen Grundstellung abwärts geführt und teilt das Schneidgut mit seiner Schneide in zwei Teile. Um dies bis zum letzten unteren Bogen zu ermöglichen, besitzt eine Papierschneidemaschine etwas, was man technisch das Gegenwerkzeug nennt. Wie der Name es schon sagt, wirkt dieses Gegenwerkzeug gegen das eigentliche Werkzeug, das Messer. Theoretisch hört sich das sehr kompliziert an. Und doch ist es etwas total Alltägliches. Wenn wir zum Beispiel auf einem Holzbrett eine Scheibe vom leckeren Käse oder der Wurst abschneiden, drücken wir das Messer von oben durch das Lebensmittel bis die Scheibe auf der ganzen Länge sicher vom verbleibenden Reststück abgetrennt wurde. Technisch betrachtet haben wir hier ein Messer, das Schneidgut und ein Gegenwerkzeug, das Holzbrett.


Geschichte der Schneidleiste

Als der französische Ingenieur Guillaume Massiquot Mitte des 19. Jh. die Bauform der Papierschneidemaschine revolutionierte, hat er auch die Schneidleiste in seiner heutigen Form erfunden. Das revolutionäre seiner Maschine war ein Messer, das länger ist als das breiteste Produkt, das man mit der Maschine schneiden konnte. Ein langes gerades Messer schnitt zum ersten Mal von oben nach unten und gegen eine Unterlage.

Man muss annehmen, dass Herr Massiquot damals eine hölzerne Unterlage verwendete. Ein Stück Holz war kostengünstiger als eine Papierunterlage. Auch nicht überliefert ist, ob er bei seinen ersten Versuchen ein Brett oder eine im Maschinentisch eingelassene Holzleiste benutze. Für den eigentlichen Schneidvorgang ist das auch unwesentlich.

Bis auf wenige Maschinen kleinerer Hersteller wurden schon damals die Schneidemaschinen aus Guss gefertigt. Auf allen verfügbaren Darstellung von Papierschneidemaschinen aus dieser Zeit werden schon Schneidleisten dargestellt. Seitdem ist die Form der Schneidleiste fast unverändert geblieben. Die wesentlichen Änderungen betrafen immer wieder das Material der Schneidleiste.


Material der Schneidleiste

Früher wurden alle Schneidleisten als quadratische Vierkantleiste aus Holz hergestellt. So konnte man die Schneidleiste viermal drehen und alle Seiten nach und nach benutzen. Hartholz von Laubbäumen war immer ausreichend vorhanden und recht kostengünstig. Jeder Zimmermann, Tischler, Schreiner oder Wagner konnte eine Schneidleiste anfertigen. Die Verwendung von Holzleisten wurde erst aufgegeben, als die Kunststoffleisten wirtschaftlicher wurden.

Der Nachteil der Holzleisten liegt im Ausbrechen der Fasern und damit dem doch recht schnellen Verschleiß. Heute werden nur noch Kunststoffleisten verwendet. Man kann Kunststoffe sehr kostengünstig in den verschiedensten Härten und mit unterschiedlicher Zähigkeit herstellen. Ein weiterer Vorteil der Kunststoffschneidleisten ist die wellige Form. Hierdurch klemmt die Schneidleiste in einem Schlitz des Maschinentisches selbsttätig.

Mit der leichten und wirtschaftlichen Zugänglichkeit von Kunststoffen in den 50er Jahren wurde Hart-PVC (zum Beispiel Providur) eingesetzt.

Als die Hartmetallmesser auf den Markt kamen, wurde für diese Messer auch eine etwas härtere Schneidleiste aus Trosiplast angeboten. Diese Schneidleisten waren zur Unterscheidung meist weiß oder grau.

Mit Beginn der 90er Jahre wurde auf das dann billigere Polypropylen umgestellt.

Um die Jahrhundertwende kamen die Schneidleisten aus Nylon (nur für Sonderanwendungen) auf.


Welche Schneidleiste ist die richtige?

Man kann sagen, dass von etwa 1980 an parallel zwei unterschiedliche Schneidleisten für die verschiedenen Messerqualitäten verfügbar waren. Mit der sich stetig ändernden Papierherstellung änderte sich aber auch die grundsätzliche Härte des Papiers und damit der Widerstand des Papiers gegenüber dem Messer. Heute gibt es fast keine ungestrichenen Papiere mehr. Selbst sogenannte „ungestrichene Papiere“ sind leicht gestrichen. Durch diesen Änderungsprozess haben sich die Schneidemaschinenmesser und zwangsläufig auch die Schneidleisten geändert. Und so gibt es für den allgemeinen Anwender nur ein Kriterium, das zählt. Das ist die wirkliche Härte der Schneidleiste.

Theoretisch soll der Kunststoff einer Schneidleiste so hart sein, dass er das Schneidgut sicher abstützt und dadurch dem Messer einen ausreichenden Widerstand entgegensetzt.

Theoretisch soll der Kunststoff einer Schneidleiste aber auch so weich sein, dass er das Messer oder besser gesagt die scharfe Schneide des Messers nicht belastet und schnell stumpf werden lässt.

Diese zwei Forderungen sind exakt gegensätzlich. Wenn man es extrem betrachtet, kann man immer nur einen der beiden gewünschten Effekte oder einen Kompromiss erzielen.

Ist die Schneidleiste weich, wird die Schneide des Messers geschont, aber der untere Bogen wird schlecht abgestützt und nach einigen Schnitten nur noch bedingt geschnitten. Außerdem wird sich die Schneidleiste in ihrer Maßhaltigkeit verändern und kürzer werden.

Ist die Schneidleiste hart, wird der untere Bogen perfekt gestützt, aber das Messer wird schneller stumpf.

Die moderne Schneidleiste ist aus Polypropylen (PP) mit einer Härte von etwa 75 Shore-D. Diese Angaben werden aber wohl nur sehr wenige Lieferanten kennen und wahrscheinlich kein/e Buchbinder/in kann den Kunststofftyp oder gar die Härte prüfen. Es beginnt ja schon bei dem Begriff „Shore-Härte für Elastomere“, was im Grunde elastische Stoffe wie Kunststoffe sind.

Verwirrend kommt hinzu, dass viele Hersteller den Kunststoff der Schneidleiste mit Pigmenten färben. Und schon sieht es so aus, als gäbe es verschiedene Varianten. Farbe kann aber gar kein Qualitätsmerkmal sein.

Also bleibt für den Verbraucher nur der Versuch und damit die Erfahrung. Zum Glück sind Schneidleisten nicht unerschwinglich teuer. Man kann ja Produkte verschiedener Lieferanten ausprobieren. Und wenn man sich an einen seriösen Lieferanten wendet, wird man auch ein ordentliches Produkt bekommen.

Kann ein Lieferant die gewünschte Länge der Schneidleiste nicht liefern, nimmt man die nächst längere Variante im richtigen Querschnitt und schneidet sie mit einer Eisensäge auf das gewünschte Maß ab. Das gilt vor allem für alte Schneidemaschinen, die z. B. ungewellte und 20x20 mm große quadratische Schneidleisten brauchen.


Probleme mit Schneidleisten

Die Schneidleiste wird kürzer oder die Schneidleiste rutscht aus der Nute im Tisch heraus.

Schneidet das Messer sehr tief in die Schneidleiste ein oder ist die Schneidleiste zu weich, wird die Schneidleiste gestaucht und damit kürzer. Links oder rechts werden dann die unteren Bogen nicht mehr durchgeschnitten.

Zuerst sollte man sich überlegen, ob das Messer nicht schon zulange benutzt und deshalb einfach nur tiefer gestellt wurde. Viele Bediener drehen die Schneidleiste, bevor ein Messerwechsel fällig ist. Da heutzutage alle modernen Maschinen einen Schnittzähler besitzen, kann man sehr einfach einen Überblick über die effektive Schnittmenge zwischen den Messerwechseln bekommen. Kennt man die übliche Messerstandzeit, kann man frühgenug die Schneidleiste drehen und hat weniger Probleme.


Die Schneidleiste scheint zu fasern






Oft sieht es so aus als würde sich die Schneidleiste im Bereich der Schnittlinie in dünne Fasern auflösen. Dieses Problem liegt fast immer an einem schlechten Messer oder falscher Pressdruckeinstellung.

Ist die Pressdruckeinstellung nicht korrekt oder hat das Messer eine hängende Schneide, weicht das Messer dem Schneidgut aus und man bekommt in der Schneidleiste zwei oder mehr Schnittlinien. Hierdurch wird der Kunststoff geschwächt und es entstehen die dünnen Fasern.

Mit einem Fadenzähler, den man sich beim Bediener der Druckmaschine ausleihen kann, sind die zwei Einschnitte sehr einfach zu erkennen.


Die Schnittlinie ist voll mit Papierstaub




Wird das Messer sehr tief eingestellt, entsteht eine entsprechend breite Nute im Kunststoff. Diese Nute füllt sich früher oder später mit Papierstaub. Beim nächsten Messerwechsel sollte versucht werden, das Messer nicht so tief in die Schneidleiste einschneiden zu lassen.


Der untere Bogen wird im Bereich der Schnittlinie in die Schneidleiste gedrückt


Hat der untere Bogen so etwas wie einen Grad, ist es wirklich Zeit für einen Messerwechsel. Das Drehen der Schneidleiste hilft in diesem Fall meistens nicht mehr.


Zum Schluss noch die Sonderanwendung Schneidleisten aus Nylon

In der industriellen Fertigung von werden zum Beispiel beim Schneiden von Etiketten oft automatische Schneidemaschinen eingesetzt. Bei diesen Anwendungen kann schnell die 10-fache Schnittleistung im Vergleich zu einer Akzidenzdruckerei pro Jahr erreicht werden. Man sagt, dass eine Schneidemaschine im Einschichtbetrieb etwa 100.000 Schnitte pro Jahr erledigt. Im Mehrschichtbetrieb können es schnell 1 Mio. oder mehr Schnitte pro Jahr sein. In solchen Fällen wird der Maschinenstopp für den Austausch der Schneidleiste ein ungewünschter Zeitfaktor. Man kann dann versuchen, Schneidleisten aus Nylon einzusetzen. Nylon federt und schließt nach dem Schnitt den Spalt in der Schneidleiste fast wieder. Hierdurch stützt das weiche Nylon den unteren Bogen gut ab. Man muss jedoch beachten, dass Nylon-Schneidleisten wesentlich teurer als gewöhnliche Schneidleisten aus PP sind. Außerdem sollte man nicht mehr als den Verbrauch für 6 Monate kaufen. Nylon verliert über lange Zeitperioden seine wellige Form.


Über den Autor

Eigentlich bin ich Autoschlosser. Danach kam der Lokführer, aber ich habe kurz vor Toreschluss abgedreht. Danach habe ich verschiedene Tätigkeiten ausgeübt. Hilfsarbeiter, Betriebsschlosser, LKW-Fahrer, Mitinhaber einer kleinen Druckerei, Herausgeber einer Stadtteilzeitung, und vieles mehr. Dann habe ich Buchbinder gelernt. Ich hatte wieder Glück und in Essen einen sehr guten Lehrbetrieb. Kisten, Kästen, Sprungrücken, Ledereinband, Broschüren, Bibliothekseinbände und so weiter.
Als dann die Lehre um war, habe ich versucht dass bis dahin gelernte in einer Sache zusammen zufügen. So bin ich bei Polar gelandet. Ich arbeitete 30 Jahre im Service und in der technischen Schulung. Dann wurde ich krank. Jetzt bin ich Rentner. Ich schneide Baumstämme, baue Möbel und Maschinenzusätze.

Buntpapier Moderator

Kommentare 1

  • Hallo Buntpapier,


    danke für diesen sehr schönen und fachlich tiefgreifenden Artikel!


    Beste Grüße,


    striegler.